Leitsatz (amtlich)

Der entgegenstehende Wille des Mandanten ist nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten. Verfolgt der Verteidiger ein Rechtsmittel gegen den ausdrücklichen Willen des Betroffenen weiter, ist es als unzulässig zu verwerfen.

 

Normenkette

StPO § 140 Abs. 2, § 297

 

Tenor

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Verteidiger Rechtsanwalt T. auferlegt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist seit dem 6. November 2012 gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. In dem jährlichen Überprüfungsverfahren (§ 67e StGB), das im Oktober 2014 durchgeführt worden ist, hat sich Rechtsanwalt T. zum Verteidiger des Untergebrachten bestellt. Zugleich hat er beantragt, dem Untergebrachten als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden.

Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat diesen Antrag mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 abgelehnt. Hiergegen hat Rechtsanwalt T. namens und in Vollmacht des Untergebrachten am 16. Oktober 2014 Beschwerde eingelegt.

In diesem Zusammenhang hat der Berichterstatter am 20. Oktober 2014 ein Telefongespräch mit dem Untergebrachten geführt. Im Anschluss daran hat der Berichterstatter in dem Vollstreckungsheft vermerkt: "Herr H. erklärt in telefonischer Rücksprache, dass er die von Herrn T. für ihn eingelegte Beschwerde zurücknehme ... ; er werde Herrn T. darüber unterrichten."

Aufgrund der fernmündlichen Erklärung des Untergebrachten ist die Strafvollstreckungskammer von einer wirksamen Rücknahme der Beschwerde ausgegangen. In der Sache hat sie mit Beschluss vom 20. Oktober 2014 die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Diese Entscheidung ist unangefochten geblieben und in Rechtskraft erwachsen.

Im Mai 2015 hat sich der Rechtsanwalt T. nach dem Sachstand in der Beschwerdeangelegenheit erkundigt. Nach Gewährung von Akteneinsicht hat er beantragt, die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorzulegen. Der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt festzustellen, dass eine Entscheidung über die Beschwerde nicht veranlasst sei, da der Untergebrachte diese wirksam zurückgenommen habe.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft kann nicht entsprochen werden, da eine wirksame Rücknahme der Beschwerde nicht erfolgt ist. Die Beschwerde erweist sich jedoch als unzulässig.

1.

Für die Form der Rücknahme einer Beschwerde gelten trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung dieselben Bestimmungen wie für die Einlegung (vgl. BGHSt 18, 257, 260). Die Rücknahmeerklärung muss daher entsprechend § 306 Abs. 1 StPO schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Eine telefonische Erklärung genügt diesen Anforderungen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn derjenige, der den Anruf bei Gericht entgegennimmt, die Rücknahmeerklärung in einem Aktenvermerk niederlegt (vgl. OLG Stuttgart NJW 1982, 1472; OLG Karlsruhe Justiz 1986, 307; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 302 Rdn. 7; KK-Paul, StPO, 7. Aufl., § 302 Rdn. 8). Daher lag in der telefonischen Erklärung des Untergebrachten vom 20. Oktober 2014 keine wirksame Rücknahme der Beschwerde.

2.

Der telefonischen Erklärung des Untergebrachten kommt jedoch mit Blick auf die Regelung des § 297 StPO Bedeutung zu und führt zur Unzulässigkeit der von dem Verteidiger weiterverfolgten Beschwerde.

Gemäß § 297 StPO kann der Verteidiger für den Beschuldigten, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen. Hier hat der Verteidiger die Beschwerde wirksam eingelegt, da der Untergebrachte zu diesem Zeitpunkt noch keinen entgegenstehenden Willen geäußert hatte.

Der entgegenstehende Wille des Mandanten ist indes nach der gesetzlichen Wertung des § 297 StPO über den auf die Einlegung des Rechtsmittels abstellenden Wortlaut hinaus auch bei einem später eintretenden Widerspruch zu beachten (vgl. SK-Frisch, StPO, 4. Aufl., § 297 Rdn. 14). Dies gilt etwa für die nachträgliche Beschränkung des Rechtsmittels ebenso wie für den Übergang von der Berufung zur Revision (vgl. Senat MDR 1993, 676; BayObLG VRS 53, 362; KK-Paul a.a.O. § 297 Rdn. 3).

Vorliegend hat der Untergebrachte telefonisch die Rücknahme der Beschwerde erklärt. Zwar konnte diese telefonische Erklärung mangels Wahrung der erforderlichen Form nicht die Rücknahme der Beschwerde bewirken. Jedoch hat der Untergebrachte damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die weitere Durchführung des Beschwerdeverfahrens nicht seinem Willen entsprach. Durch seine Erklärung ist der von dem Verteidiger eingelegten Beschwerde ex nunc die Grundlage des § 297 ZPO entzogen worden. Daraus folgt, dass die Beschwerde unwirksam und damit unzulässig geworden ist (vgl. SK-Frisch a.a.O. § 297 Rdn. 14).

Ein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger steht dem Wahlverteidiger nicht zu (vgl. OLG Dü...

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