Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beanstandung, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, handelt es sich der Sache nach um eine Aufklärungsrüge, die nur dann in zulässiger Weise erhoben ist, wenn eine konkrete Beweistatsache behauptet, ein bestimmtes Beweismittel benannt und dargelegt wird, welche Umstände den Tatrichter zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre.

2. Der Tatrichter ist nicht gehalten, Unterlagen, über die auch die Ermittlungsbehörden nicht verfügen und die lediglich der Verteidiger aus seiner Perspektive für bedeutsam hält, außerhalb der richterlichen Aufklärungspflicht bei Dritten herbeizuschaffen.

 

Normenkette

OWiG § 77 Abs. 2 Nr. 1, § 79 Abs. 3 S. 1; StPO § 344 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 176 Euro verurteilt und gegen sie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde, die sich auf die Sachrüge und verfahrensrechtliche Beanstandungen stützt. Die Messung war mit dem Laserscanner PoliScan M1 HP durchgeführt worden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 u. 3 StPO).

Der Erörterung bedürfen lediglich die erhobenen Verfahrensrügen.

1.

Das Amtsgericht hat mehrere in der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge mit der Begründung abgelehnt, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nach pflichtgemäßem Ermessen nicht erforderlich sei (§ 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Bei der Beanstandung, das Amtsgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, handelt es sich der Sache nach um eine Aufklärungsrüge, die nur dann in zulässiger Weise erhoben ist, wenn eine konkrete Beweistatsache behauptet, ein bestimmtes Beweismittel benannt und dargelegt wird, welche Umstände den Tatrichter zur weiteren Beweisaufnahme hätten drängen müssen und welches Beweisergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2021, 25; Senge in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 77 Rdn. 52; Hettenbach in: BeckOK OWiG, 33. Edition 2022, § 77 Rdn. 12 u. 33). Vorliegend fehlt in der Begründungsschrift jeweils das erforderliche Vorbringen, welche Umstände den Tatrichter zu der beantragten Beweiserhebung hätten drängen müssen.

a)

Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung zu dem verwendeten Messgerät zum Beweis der Tatsache beizuziehen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Reihenfolge beim Inverkehrbringen des Messgerätes nicht eingehalten wurde.

Die Konformitätserklärung des Herstellers hat in der vorgesehenen Reihenfolge nach der Konformitätsbewertung durch die unabhängige Konformitätsbewertungsstelle zu erfolgen (§ 6 Abs. 3 MessEG, § 11 Abs. 2 Nr. 2 MessEV). Der Verteidiger hat geltend gemacht, dass ohne Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung die Nichteinhaltung dieser Reihenfolge "nicht auszuschließen" sei. Diese Formulierung lässt erkennen, dass die Beweisbehauptung, die vorgeschriebene Reihenfolge sei tatsächlich nicht eingehalten worden, "ins Blaue hinein" aufgestellt wurde.

Maßgeblich für die Unzulässigkeit der als Aufklärungsrüge zu behandelnden Beweisantragsrüge ist indes, dass nicht dargelegt worden ist, dass und unter welchem Gesichtspunkt die vermisste Beiziehung der Konformitätsbescheinigung und der Konformitätserklärung und deren Reihenfolge in dem vorliegenden Verfahren mit der Folge einer Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht relevant sein sollen.

Zunächst ist festzustellen, dass bei dem Messgerät PoliScan M1 HP Softwareversion 3.7.4, keine Konformitätsbewertung der Bauart (MessEV Anlage 4, Teil B, Modul B) durchgeführt werden musste.

Denn der Gerätetyp PoliScan M1 HP hat bereits am 21. Februar 2011 die Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) erhalten (Zulassungszeichen Z 18.11/10.02). Die Neufassung dieser Zulassung vom 30. Dezember 2014 umfasst die hier verwendete Messgerätesoftware in der Version 3.7.4. (Daten abrufbar bei www.ptb.de, Measuring Instruments Certificates [MiCert], vgl. auch Senat BeckRS 2021, 476; OLG Koblenz BeckRS 2017, 154190).

Gemäß § 62 Abs. 2 MessEG kann für die Konformitätsbewertung eine vor dem 31. Dezember 2014 erteilte und noch gültige innerstaatliche Bauartzulassung als Nachweis der Konformität der Bauart (Modul B) genutzt werden. Diese Bauartzulassungen verfügen über Bestandsschutz. Es wird bis zum 31. Dezember 2024 unwiderleglich davon ausgegangen, dass die zugela...

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