Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein gewerbliches Unternehmen, das über eine Rechtsabteilung verfügt, kann unter bestimmten Voraussetzungen die Reisekosten eines zum Termin vor dem Prozessgericht anreisenden Prozessbevollmächtigten ihres Vertrauens ("Hausanwalt"), der an ihrem Geschäftssitz ansässig ist, erstattet verlangen. Dies gilt etwa dann, wenn Angelegenheiten der fraglichen Art auf diesen "Hausanwalt" übertragen sind, weil der Rechtsabteilung ausschließlich andere Aufgaben obliegen.

2. Etwaige Mehrkosten, die daraus resultieren, dass der "Hausanwalt" nicht am Ort des Geschäftssitzes der Partei ansässig ist, können jedenfalls dann nicht zu Lasten des Prozessgegners gehen, wenn auch am Geschäftssitz der Partei ein gleichwertiger "Hausanwalt" hätte gefunden werden können. Eine Überbürdung der Mehrkosten auf den kostenpflichtigen Prozessgegner kann - wenn überhaupt - nur unter ganz besonderen Umständen gerechtfertigt sein.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Beschluss vom 01.09.2006; Aktenzeichen 8 O 7/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Duisburg - Rechtspflegerin - vom 1.9.2006 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Urteils des LG Duisburg vom 8.6.2006 sind von dem Beklagten an Kosten 2.589,50 EUR (zweitausendfünfhundertneunundachtzig 50/100 EUR) nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.7.2006 an die Klägerin zu erstatten. In dem Betrag sind 726 EUR Gerichtskosten enthalten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 22 % und der Beklagte zu 78 %.

 

Gründe

Die am 4.10.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin (Bl. 119 f. GA) gegen den ihr 20.9.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Duisburg - Rechtspflegerin - vom 1.9.2006 (Bl. 111 ff., 115 GA) ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie hat jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Klägerin kann über die bereits erfolgte Kostenfestsetzung hinaus Reisekosten für die Wahrnehmung der Termine am 01. und 8.6.2006 vor dem LG Duisburg durch ihre Prozessbevollmächtigten erstattet verlangen, insoweit allerdings nur Fahrtkosten für die Strecke Frankfurt - Duisburg und Abwesenheitsgelder für den jeweiligen Terminstag. Diese Kosten sind als notwendig und damit erstattungsfähig i.S.d. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen.

1. Der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte sogleich einen am Ort des Prozessgerichts in Duisburg ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragen und diesen schriftlich oder fernmündlich informieren müssen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und ihm folgend des Senats handelt es sich regelmäßig um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (vgl. grundlegend BGH Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = Rpfleger 2003, S. 98, 100; Beschl. v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, BGHReport 2003, 308 = NJW 2003, 901, 902). Eine Ausnahme wird allerdings dann gemacht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH u.a. regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Ein eingehendes persönliches Mandantengespräch ist unter diesen Voraussetzungen weder zur Ermittlung des Sachverhalts noch zur Rechtsberatung erforderlich. Nach der schriftlichen Übermittlung der erforderlichen Informationen können Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens ebenfalls schriftlich oder telefonisch erfolgen. Im Hinblick auf die modernen Kommunikationsformen ist auch eine Verzögerung nicht zu befürchten, wenn ein am Sitz des Prozessgerichts ansässiger Rechtsanwalt beauftragt wird (vgl. (vgl. BGH Beschlüsse vom 21.1.2004 - IV ZB 32/03, BGHReport 2004, 706; vom 10.4.2003 - I ZB 36/02, BGHReport 2003, 768 = MDR 2003, 1019 = JurBüro 2003, 370; vom 9.10.2003 - VII ZB 10/02, BGHReport 2004, 639).

Im vorliegenden Fall verfügt die Klägerin zwar über eine Rechtsabteilung. Es kann jedoch daraus nicht gefolgert werden, dass der Rechtsstreit durch deren sachkundigen Mitarbeiter in tatsächlicher und ...

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