Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit des im Ehevertrag vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs unter Berücksichtigung veränderter Lebensverhältnisse

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Berufung auf den in einem Ehevertrag vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann gegen Treu und Glauben verstoßen und eine Anpassung an veränderte Lebensverhältnisse in Betracht kommen, wenn während der Ehe ein Kind geboren wurde und die Ehefrau danach einverständlich ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit unterbrochen hat.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, §§ 242, 1408 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Mettmann (Urteil vom 07.10.2006)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das Verbundurteil des AG - FamG - Mettmann vom 7.10.2003 hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich (II. des Urteilsausspruchs) aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG Mettmann zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

 

Gründe

I. Die am 20.12.1982 geschlossene Ehe der Parteien, aus der die am 9.12.1987 geborene Tochter K. hervorgegangen ist, wurde auf den dem Antragsgegner am 3.7.2003 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin durch Verbundurteil des AG - FamG - Mettmann vom 7.10.2003 geschieden. Gleichzeitig hat das AG festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Der Scheidungsausspruch ist seit dem 2.3.2004 rechtskräftig.

Mit Ehevertrag vom 18.12.1982 - UR-Nr. 875/1982 Notar Dr. W. in F. - vereinbarten die Parteien Gütertrennung, setzen sich - mit modifizierter Regelung - gegenseitig zu alleinigen Erben ein und verzichteten auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Zum Zeitpunkt der Vereinbarung war der am 20.12.1952 geborene Antragsgegner Diplom-Ökonom und bereitete sich auf die Steuerberaterprüfung vor. Die Antragstellerin war als Industriekauffrau erwerbstätig. Nach der Geburt der Tochter übernahm sie deren Betreuung und war bis zum Jahre 2000 nicht mehr erwerbstätig. Welche Tätigkeit die Antragstellerin seit ihrer Rückkehr ins Erwerbsleben ausübt, ist nicht vorgetragen.

Das AG hat den Ehevertrag als wirksam angesehen und den Versorgungsausgleich nicht durchgeführt. Auskünfte der Versorgungsträger hat es nicht eingeholt.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie erreichen will, dass der Versorgungsausgleich durchgeführt wird, weil dessen Ausschluss sie einseitig belaste. Wegen der Kinderbetreuung sei es ihr nämlich nicht möglich gewesen, eine angemessene Altersversorgung aufzubauen.

Die Antragstellerin beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des AG Mettmann vom 7.10.2003 den Versorgungsausgleich durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die ehevertragliche Regelung für bindend, zumal die Antragstellerin Begünstigte einer Lebensversicherung gewesen sei, die sie sich im März 2003 habe auszahlen lassen (15.667,20 EUR). Außerdem habe er während der Zeit, in der die Antragstellerin nicht erwerbstätig gewesen sei (1987-2000), vierteljährlich Beiträge i.H.v. 37,43 EUR für die Antragstellerin an die BVV gezahlt. Schließlich sei die Antragstellerin gemeinsam mit ihm zu ½ Miteigentümerin der Eigentumswohnung in S., K.-straße, deren Unterdeckung von ihm getragen werde.

II. Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG. Insoweit ist § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO im zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörenden Versorgungsausgleichsverfahren entsprechend anzuwenden, nachdem das AG dem Grunde nach die Durchführung des Versorgungsausgleichs abgelehnt und deshalb die Höhe der auszugleichenden Anwartschaften nicht mehr ermittelt hat (BGH v. 4.11.1981 - IVb ZB 517/80, MDR 1982, 390 = FamRZ 1982, 152 [153] zu § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a.F.; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621e Rz. 78). Eines ausdrücklichen Antrages der Parteien bedarf es insoweit nicht, da § 538 Abs. 2 ZPO gem. § 621e Abs. 3 S. 2 ZPO keine unmittelbare Anwendung findet (OLG Brandenburg FamRZ 2003, 624; OLG Dresden v. 25.4.2003 - 10 UF 284/03, OLGReport Dresden 2003, 351 = NJW-RR 2003, 1162; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 63. Aufl., § 621e Rz. 24; Musielak/Borth, ZPO, 4. Aufl., § 621e Rz. 26).

Die notariell beurkundete Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist allerdings entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht von vornherein sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Parteien bei Vertragsabschluss rechtfertigt nicht die Feststellung, dass die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung im Scheidungsfall führen werde, dass ihr - losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen wäre, dass an ihre Stelle die gesetzliche Regelu...

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