Leitsatz (amtlich)

Enthält eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung zwar eine Pflichtteilsstrafklausel, aber keine Einsetzung von Schlusserben und ergibt sich aus der Auslegung der Klausel und aller anderen maßgeblichen Umstände der Errichtung nicht, ob die Eheleute über den im Erbvertrag verbalisierten Regelungsgehalt hinaus den Willen zu einer Schlusserbeneinsetzung gehabt haben, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Erblasser lediglich den Strafcharakter der Pflichtteilsstrafklausel als Inhalt ihrer letztwilligen Verfügung wollten, nicht jedoch eine Schlusserbeneinsetzung ihrer Kinder.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2269, 2074-2075, 2353; FamFG § 352 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Grevenbroich (Beschluss vom 06.02.2013; Aktenzeichen 6 VI 234/11)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, über den Antrag des Beteiligten zu 1 nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses erneut zu entscheiden.

Wert: 200.000 EUR

 

Gründe

I. Die am 6.3.2011 verstorbene Erblasserin war die Mutter der Beteiligten; sie war mit dem am 30.7.1998 vorverstorbenen P. H. M., dem Vater der Beteiligten, verheiratet.

Die Erblasserin schloss gemeinsam mit ihrem Ehemann Erbverträge zu UR.- Nr. 239/1947 des Notars Dr. B. in Rheydt/Odenkirchen vom 27.3.1947 und zu UR.- Nr. 761/1967 des Notars R. in Jüchen vom 30.11.1967 sowie allein ein privatschriftliches Testament vom 12.5.2009.

Der Beteiligte zu 1 hat, gestützt auf das handschriftliche Testament vom 12.5.2009, beantragt, ihm einen Erbschein auszustellen, der ihn als alleinigen Erben nach der Erblasserin ausweist.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt, ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der alle drei Beteiligten zu je 1/3 Anteil als Erben ausweist. Hierzu haben sie sich auf den Erbvertrag vom 30.11.1967 berufen, in dem es heißt:

"Hiermit setzen wir uns gegenseitig zu uneingeschränkten Alleinerben ein derart, dass der Überlebende den zuerst Versterbenden von uns allein beerbt, ohne Rücksicht darauf, dass pflichtteilsberechtigte Erben vorhanden sind oder in Zukunft noch sein werden.

Sollte aber einer unserer Abkömmlinge aus dem Nachlass des Erst-Versterbenden von uns den Pflichtteil verlangen, so soll er nach dem Tode (des (Letztbenden) lies: des Überlebenden von uns ebenfalls nur den Pflichtteil erhalten."

Die Beteiligten zu 2 und zu 3 haben geltend gemacht, in der Pflichtteilsstrafklausel liege eine Schlusserbeneinsetzung der drei Abkömmlinge. Dem gegenüber hat der Beteiligte zu 1 gemeint, in diesem Erbvertrag sei nur eine gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern, aber keine Benennung von Schlusserben zu sehen.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 20.2.2013 den Antrag des Beteiligten zu 1 vom 27.4.2011 auf Erteilung eines Alleinerbescheins zurückgewiesen, die zur Begründung des Antrages der Beteiligten zu 2 und zu 3 vom 23.3.2011 in Verbindung mit dem Antrag vom 17.7.2012 auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und die Erteilung des beantragten Erbscheins angekündigt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erblasserin habe den Beteiligten zu 1 aufgrund ihres alleinigen handschriftlichen Testamentes vom 12.5.2009 nicht mehr zum Alleinerben bestimmen können, weil sie in ihrer Testierfreiheit durch den Erbvertrag vom 30.11.1967 beschränkt gewesen sei.

In der Pflichtteilsstrafklausel des angesprochenen Erbvertrages liege zugleich eine Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder, hier der drei Beteiligten. Bereits im ersten Ehe- und Erbvertrag vom 27.3.1947 hätten die Erblasserin und ihr Ehemann deutlich gemacht, dass es ihnen wichtig ist, die Interessen der Kinder zu wahren. Im Erbvertrag von 1967 sei dann insoweit auch von "pflichtteilsberechtigten Erben" die Rede. Im nächsten Satz folge die Formulierung "... einer unserer Abkömmlinge". Damit würden die gemeinsamen Kinder hier als Erben bezeichnet. Von der Wahrung der Interessen der Kinder habe der Erbvertrag von 1967 nicht abweichen sollen. Vielmehr sei dieser Erbvertrag gegenüber dem von 1947 insoweit einschränkender.

Wenn die Ehegatten größeren Wert darauf gelegt haben sollten, dass der überlebende Ehegatte die freie Verfügung über den Nachlass eingeräumt bekommen soll, weil sie sich gegenseitig das Vertrauen entgegen brachten, der Überlebende werde eine gerechte Regelung über die Schlusserbenfolge treffen, hätten sie die Formulierung des Ehevertrages von 1947 wählen können. Dies hätten sie aber gerade nicht getan. Insoweit sprächen die Umstände für den Willen der Eheleute, den Längstlebenden nicht nur vor dem Pflichtteilsverlangen eines der Abkömmlinge zu schützen, sondern gerade ihre Kinder als Schlusserben einzusetzen. Die Pflichtteilsstrafklausel ergebe im Übrigen auch nur dann Sinn, wenn die Kinder, die beim ersten Erbfall ihren Pflichtteil nicht geltend machen, jedenfalls beim zweiten Todesfall mehr als den Pflichtteil erhalten. Die Strafklausel könne also nur dann Bedeutung haben, wenn es tatsächlich fü...

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