Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrang von Angehörigen bei Vormundauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Vorrang von Angehörigen bei der Auswahl des Vormundes

 

Normenkette

BGB §§ 1697, 1697a, 1779

 

Verfahrensgang

AG Nettetal (Beschluss vom 07.04.2006; Aktenzeichen 7 F 388/05)

AG Nettetal (Beschluss vom 07.11.2004; Aktenzeichen 7 F 264/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller werden die Beschlüsse des AG - Familiengericht - Nettetal vom 7.4.2006 (7 F 388/05) und vom 7.11.2004 (7 F 264/04) teilweise abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird die elterliche Sorge über den am 30.8.2004 geborenen D. mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Jugendamt des Kreises Viersen als vorläufigem Vormund übertragen bleibt, den Antragstellern als vorläufigen Vormündern übertragen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Den Antragstellern wird aufgegeben, aktuelle Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 3.12.2009 zu den Akten zu reichen.

Wert: 1.500 EUR.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.

I. Die miteinander verheirateten Antragsteller sind die Großeltern des am 30.8.2004 geborenen D..

Durch Beschluss vom 7.9.2004 entzog das AG - Familiengericht - Nettetal der Beteiligten zu 4., der Kindesmutter, vorläufig die elterliche Sorge für Dennis und übertrug sie dem Jugendamt des Kreises Viersen als "Pfleger". Dieser entschied, dass der Junge in einer Pflegefamilie leben soll. Seit dem 14.9.2004 lebt er bei der Familie B, den Beteiligten zu 6. und 7., die derzeit neben D noch ihre fünfzehnjährige Tochter betreuen.

Ds' Eltern sind ausweislich des in dem Verfahren 7 F 264/04 (AG Krefeld) eingeholten Sachverständigens L nicht erziehungsfähig. Als seine nächsten Verwandten erstreben die Antragsgegner die Übertragung der vorläufigen Vormundschaft für D auf sich, wobei sie inzwischen damit einverstanden sind, dass das Aufenthaltbestimmungsrecht weiterhin vom Jugendamt des Kreises Viersen ausgeübt wird und D in seiner Pflegefamilie verbleibt.

II. Gemäß § 1697 BGB kann das Familiengericht in dem Fall, dass aufgrund einer von ihm veranlassten Maßnahme eine Vormundschaft oder Pflegschaft anzuordnen ist, diese Anordnung treffen und den Vormund oder Pfleger auswählen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, steht die Entscheidung unter dem Vorbehalt des Kindeswohls sowie den berechtigten Interessen der Beteiligten, § 1697a BGB. Dabei hat das Familiengericht bei der Auswahl mehrerer geeigneter Personen u.a. den mutmaßlichen Willen der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels und die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel zu beachten, § 1779 BGB. Nach § 1779 Abs. 2 BGB soll das Vormundschaftsgericht eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist. Dabei sind bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen der mutmaßliche Wille der Eltern, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Kind sowie dessen religiöses Bekenntnis zu berücksichtigen. Sind Verwandte zur Führung der Vormundschaft vorhanden, dürfen andere Personen grundsätzlich nur dann zum Vormund bestellt werden, wenn die Verwandten nicht dafür geeignet sind (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 18.12.2008 (1 BVR 2604/06), betreffend dieses Verfahren).

Dies führt dazu, dass die vorläufige Vormundschaft mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Antragstellern zu übertragen ist, die die aufgezeigten Kriterien erfüllen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Antragsteller zur Übernahme der Vormundschaft für D geeignet sind. Dies ergibt sich aus dem mündlich erläuterten Gutachten der Sachverständigen Dr. M, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse, dem der Senat folgt. Die Sachverständige hat auf Grundlage der von ihr angestellten umfassenden Explorationen den Schluss gezogen, dass die Antragsteller erziehungsfähig seien. Dies hat sie überzeugend damit begründet, Ds' Großeltern seien nach ihren Beobachtungen dazu in der Lage, ihren Enkel angemessen zu versorgen, zu fördern und eine liebevolle, stabile Beziehung zu dem Kind aufzubauen. Dies zeige der von ihr beobachte Kontakt, der dadurch gekennzeichnet sei, dass D die volle Zuwendung und Aufmerksamkeit seiner Großeltern erhalte. Aus ihrer Sicht sei daher davon auszugehen, dass es den Antragstellern allein um das Kindeswohl gehe. Neurotische Motive für den "Kampf" um die Vormundschaft seien ebenso auszuschließen wie querulatorische Charakterzüge.

Dies deckt sich auch mit den Erkenntnissen, die der Senat in dem Termin vom 5.11.2009 gewonnen hat. Dort haben sich die Antragsteller, die inzwischen ein gutes Verhältnis zu Ds' Pflegeeltern entwickelt haben, kooperativ gezeigt und nochmals glaubhaft bekräftigt, dass es ihnen in Ds' Interesse um eine engagi...

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