Leitsatz (amtlich)

1. Bewilligungsberechtigt im Sinne von § 19 GBO ist nur der Buchberechtigte. Infolge dessen kommt eine Berichtigungsbewilligung nicht in Frage, wenn Erben eines im Grundbuch als Eigentümer Eingetragenen Berichtigung durch Umschreibung auf die Erbengemeinschaft beantragen.

2. Das Entschließungsermessen für eine Grundbuchberichtigung von Amts wegen nach § 82a GBO kann im Einzelfall auf Null reduziert sein, wenn die Beteiligten außer Stande sind, die zur Grundbuchberichtigung erforderlichen Nachweise (hier: zur Erbfolge) vollständig beizubringen.

3. Das Amtsverfahren nach § 82a GBO ist vorrangig gegenüber einer Berichtigung des Grundbuchs, bei der als neue Grundstückseigentümer unbekannte Beteiligte (hier: die unbekannten Erben des Erblassers) eingetragen werden könnten.

4. Im Rahmen des Amtsberichtigungsverfahrens nach § 82a GBO werden vom Grundbuchamt Amtsermittlungen bis zur Eintragungsreife verlangt. Die nach § 26 FamFG durchzuführenden Ermittlungen dürfen erst dann beendet werden, wenn der neue Eigentümer zur Überzeugung des Grundbuchamts feststeht. Ob das Grundbuchamt die Erbfolge selbst oder mit Hilfe des Nachlassgerichts aufklärt, unterliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen.

5. Für die Grundbuchberichtigung genügt es, wenn der neue Grundstückseigentümer unter Anwendung der Grundsätze der Wahlfeststellung zweifelsfrei festgestellt werden kann.

6. Die Auslegung einer Vereinbarung über die Übertragung eines Miteigentumsanteils an dem Grundstück kann als eine erbrechtliche Abschichtungsvereinbarung auszulegen sein.

7. Infolge der Abschichtungsvereinbarung scheidet der Miterbe aus der Erbengemeinschaft (hier: aus der Untererbengemeinschaft an einem im Inland belegenen Grundstück) aus und sein Erbteil wächst den verbleibenden Miterben kraft Gesetzes an.

8. In Falle der Abschichtung hat das Grundbuchamt die Berichtigung vorzunehmen, sobald die Person des neuen Eigentümers feststeht. Die Voreintragung der durch Abschichtung beendeten Erbengemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung ist in analoger Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO entbehrlich.

 

Normenkette

GBO §§ 19, 82, 82a

 

Verfahrensgang

AG Wesel (Aktenzeichen OH-1146-8)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis zu 3. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Wesel vom 09.11.2022 und vom 10.08.2023 - Rechtspflegerin - insoweit aufgehoben, als darin die Anträge auf Durchführung eines Amtsberichtigungsverfahrens nach § 82a GBO kostenpflichtig zurückgewiesen worden sind.

Insoweit wird die Sache zur Durchführung des Amtsberichtigungsverfahrens nach § 82a GBO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Grundbuchamt zurückgegeben.

Im Übrigen, d.h. soweit durch die angefochtenen Beschlüsse die Anträge auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO abgelehnt worden sind, werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Im Umfang der Zurückweisung der Beschwerden wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Als Eigentümer des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes unter der Adresse "..." sind Dipl. Ing. Wolfgang R..., verstorben am 06.11.2018, sowie seine Tochter Roswitha R..., verstorben am 15.07.2016, im Grundbuch wie folgt eingetragen:

2.1. Wolfgang R... zu1/2Anteil

2.2. Wolfgang R...

2.3. Roswitha R...

- zu 2.2. und 2.3. zu1/2-Anteil in Erbengemeinschaft.

Die Erbengemeinschaft bestand nach der am 25.04.2013 verstorbenen Ehefrau bzw. Mutter Margot R..., geb. ...

Wolfgang R... hinterließ ein notarielles Testament vom 27.05.2015, in dem er seine Tochter Roswitha zur unbeschränkten Vorerbin und seine Schwester Sabine T..., geb. R..., zur Nacherbin und Ersatzerbin einsetzte. Zu Ersatznacherben und weitere Ersatzerben setzte er die Nachkommen seiner Schwester zu gleichen Teilen ein. Das Testament wurde am 27.11.2018 eröffnet (AG Wesel, AZ. 16 IV 342/15, Bl. 64 ff. GA). Am selben Tag schlug Sabine T... die Erbschaft aus (AG Bückeburg, Az. 20 VI 525/18, Bl. 68 GA).

Die Beteiligten zu 1. bis zu 3. sind die Kinder der Sabine T... Ihnen wurde vom Nachlassgericht unter dem 06.03.2019 ein gemeinschaftlicher Erbschein sowie ein Europäisches Nachlasszeugnis nach Wolfgang R... zu je 1/3-Anteil ausgestellt (AG Wesel, Az. 16 VI 54/19, Bl. 71, 87 GA).

Roswitha R... verstarb ledig und kinderlos in Griechenland. Nachdem das Grundbuchamt den Beteiligten zu 3. unter Berufung auf § 82 GBO mit Verfügungen vom 26.03.2019 und 25.06.2019 zur Stellung eines Grundbuchberichtigungsantrages unter Vorlage eines Erbscheins nach Wolfgang und Roswitha R... aufgefordert hatte (Bl. 73, 78 GA), reichte dieser eine Kopie nebst Übersetzung eines handschriftlichen, in griechischer Schrift und Sprache verfassten Testaments vom 06.07.2016 ein, in dem Roswitha R... ihren "Ehemann" V... (lies: den Beteiligten zu 4.) zum Alleinerben einsetzt (Bl. 101 ff. GA).

Zur Akte gereicht wurde ferner die Kopie eines auf den 12.04.2018 datierten Dokuments in griechischer Schrift und Sprache nebst Übersetzung in das Deutsche mit Hilfe des Programms Google Translate, wonach das Friedensgericht in Herakl...

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