Leitsatz (amtlich)

1. Die Kontrolle eines Zusammenschlusses von Krankenhäusern, die gem. § 108 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassen sind, wird weder durch § 69 SGB V noch durch das öffentlich-rechtliche Krankenhausrecht ausgeschlossen.

2. Auf dem für die Zusammenschlusskontrolle sachlich relevanten Markt stehen sich der Patient bzw. der einweisende Arzt als sein Disponent als Nachfrager und die Krankenhäuser als Anbieter der erforderlichen stationären Krankenhausbehandlung gegenüber, wobei eine Unterteilung des Marktes für Krankenhausdienstleistungen nach medizinischen Fachbereichen in Betracht zu ziehen ist.

3. Bei der Marktabgrenzung ist auf das Verhalten des potentiellen Nachfragers abzustellen. Dieses kann - sofern keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorhanden sind - aus dem Nachfrageverhalten in der Vergangenheit abgeleitet werden.

4. Die Grundsätze der sog. Sanierungsfusion sind auf kommunale Krankenhausträger nicht anzuwenden, soweit sie im Rahmen ihres landesgesetzlich geregelten Sicherstellungsauftrages verpflichtet sind, in der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die erforderlichen Krankenhäuser zu errichten und zu unterhalten.

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 10.03.2005; Aktenzeichen B10-123/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.01.2008; Aktenzeichen KVR 26/07)

 

Tenor

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1, 2 und 3 gegen Ziff. 1. des Beschlusses des BKartA vom 10.3.2005 - B10-123/04, werden zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Gebührenfestsetzung (Ziff. 2 des Beschlusses des BKartA vom 10.3.2005 - B10-123/04) wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem BKartA entstandenen notwendigen Auslagen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Gebührenbeschwerde entstanden sind und von der Beteiligten zu 1 allein zu tragen sind.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziff. 1. zugelassen.

V. Der Wert der Beschwerdeverfahren wird wie folgt festgesetzt:

Ziff. 1 des Beschlusses: 10 Mio. EUR

Ziff. 2 des Beschlusses: 10.000 EUR.

 

Gründe

I. Die börsennotierte Beteiligte zu 1 (nachfolgend: R.) gehört zu den führenden privaten Krankenhauskonzernen in Deutschland. Gegenstand des Unternehmens ist die Errichtung und der Betrieb von Krankenhäusern vorwiegend des Akutbereichs in allen Versorgungsstufen. Im Jahr 2004 erzielte R. konsolidierte Umsatzerlöse i.H.v. mehr als 1 Mrd. EUR. Im selben Jahr stieg der Konzerngewinn um 4,5 % auf 76,4 Mio. EUR. Die Eigenkapitalquote von R. beträgt mehr als 40 % und die im Jahr 2003 getätigten Investitionen von 112,5 Mio. EUR wurden vollständig aus dem Cash-Flow finanziert.

R. ist derzeit mit 45 Kliniken und insgesamt 14.690 Betten an 34 Standorten in acht Bundesländern vertreten. An ihrem Stammsitz in B.N. betreibt R. vier Fachkliniken mit insgesamt über 1.412 Betten: die Herz- und Gefäßklinik, die Neurologische Klinik, die Klinik für Handchirurgie und die Psychosomatische Klinik. In dem nur 24 Kilometer von B.N. entfernten B.K. ist R. mit den Krankenhäusern St. E. und H.-K. vertreten. Das Krankenhaus St. E. verfügt über die Fachabteilung Innere Medizin, Chirurgie, Frauenheilkunde/Geburt, Urologie, HNO und Pädiatrie.

Der Beteiligte zu 2 betreibt derzeit nur noch ein Krankenhaus, und zwar das als Eigenbetrieb geführte Kreiskrankenhaus B.N. Das Kreiskrankenhaus B.K. ist zum 31.12.2003 und das etwa 20 Kilometer von B.N. entfernte Kreiskrankenhaus M. mit 70 Planbetten zum 31.12.2006 geschlossen worden. Das KKH B.N. verfügt über die Fachabteilungen Innere Medizin, Chirurgie, Urologie, Gynäkologie und HNO. Die Krankenhäuser B.N. und M. erzielten im Jahr 2003 Umsatzerlöse i.H.v. zusammen 21,9 Mio. EUR (15 und 6,9 Mio. EUR). Der Betrieb der Krankenhäuser ist defizitär. Im Jahr 2003 betrug das Defizit des KKH B.N. über 2 Mio. EUR.

Im September 2004 meldete R. beim BKartA das Vorhaben an, durch ihre 100 %-ige Tochtergesellschaft, die Beteiligte zu 3, von dem Beteiligten zu 2 die Aktiva und Passiva sowie den Geschäftsbetrieb der Kreiskrankenhäuser in B.N. und M. zu erwerben.

Mit Beschluss vom 10.3.2005 hat das BKartA den angemeldeten Zusammenschluss untersagt (Ziff. 1) und die Gebühr für die Anmeldung auf 35.000 EUR und für die Untersagungsverfügung unter Anrechnung der Gebühr für die Anmeldung auf 6.000 EUR festgesetzt (Ziff. 2). Nach Auffassung des BKartA war der von R. beabsichtigte Erwerb der Kreiskrankenhäuser B.N. und M. zu untersagen, weil das Zusammenschlussvorhaben zur Entstehung bzw. Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von R. auf dem Markt für akutstationäre Krankenhausleistungen auf dem räumlichen Markt B.N./B.K. (PLZ-Bereich 976..-977..) und dem Regionalmarkt M. (PLZ-Bereich: 985..-986..) führen wird. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des BKartA vollumfänglich Bezug genommen.

Gegen die Untersagung wenden sich die Beteiligten zu 1, 2 und 3 mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde. Darüber hinaus hat die Beteiligte zu 1 di...

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