Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anfechtbarkeit der Bestellung eines - weiteren - Verteidigers.

2. Zu den Voraussetzungen für die Beiordnung eines weiteren Verteidigers bzw. der Rücknahme einer solchen Verteidigerbestellung.

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Bestellung der Rechtsanwältin in Düsseldorf zur Verteidigerin der Angeklagten wird zurückgenommen.

 

Gründe

I.

Gegen die Angeklagte ist vor dem Landgericht Düsseldorf ein Strafverfahren anhängig, in dem der Angeklagten durch den Vorsitzenden der IV. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf Rechtsanwältin und Rechtsanwalt Dr. K in Düsseldorf als Verteidiger beigeordnet worden sind. Rechtsanwältin T und Rechtsanwalt Dr. K haben die Angeklagte auch in der vom 13. Januar 1998 bis zum 18. Dezember 1998 dauernden Hauptverhandlung verteidigt.

Durch Urteil vom 18. Dezember 1998 hat die Strafkammer die Angeklagte und den Mitangeklagten Prof. Dr. B wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte durch Rechtsanwältin T Revision eingelegt.

Aufgrund einer Vollmacht der Angeklagten vom 6. März 1999 hat sich Rechtsanwalt S in Wiesbaden am 9. März 2000 zu deren Wahlverteidiger bestellt. Er hat die Revisionsbegründungsschrift gefertigt und die Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof vertreten.

Durch Urteil vom 19. April 2000 hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1999 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch sind die Feststellungen zur Kontaminierung der Blutkonserven mit dem Bakterium Rahnella aquatis und zur Ursächlichkeit dieser Verseuchung für den Tod bzw. die Körperverletzung der betroffenen Patienten aufrechterhalten worden. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

Die neue Hauptverhandlung vor der nunmehr zuständigen I. Strafkammer hat noch nicht stattgefunden.

II.

Rechtsanwalt S und die Angeklagte selbst haben beantragt, die Bestellungen der Rechtsanwältin T und des Rechtsanwalts Dr. K zu Pflichtverteidigern zurückzunehmen. Rechtsanwalt S hat erklärt, er sei bereit und in der Lage, auch in einer länger dauernden Hauptverhandlung die Verteidigung allein zu führen. Im übrigen haben die Angeklagte und Rechtsanwalt S geltend gemacht, das Vertrauensverhältnis der Angeklagten zu den beiden Pflichtverteidigern sei vollends zerstört, nachdem diese in der Hauptverhandlung nahezu keine Beweisanträge gestellt hätten, so daß die Angeklagte selbst schriftliche Erklärungen habe verlesen und einreichen müssen. Zudem habe Rechtsanwältin T überhöhte Honorarforderungen gestellt und sie - die Angeklagte - wegen angeblicher Honorarforderungen unberechtigt mit einem Zivilverfahren überzogen, in dem sie sich durch Rechtsanwalt Dr. K habe vertreten lassen. Schließlich habe Rechtsanwältin T ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung aus dem Verfahren und zu ihrer Person Informationen an die Presse und Medien und ein Fernsehinterview gegeben.

Rechtsanwältin T ist den Ausführungen der Angeklagten zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses entgegengetreten und hält die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung zur Verfahrenssicherung für geboten.

Der Strafkammervorsitzende hat durch Beschluss vom 20. September 2000 die Bestellung von Rechtsanwältin T zur Verteidigerin aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, es sei angebracht, die Verteidigung der Angeklagten und die Durchführung des Verfahrens durch die fortbestehende Beiordnung von Rechtsanwältin T neben dem Wahlverteidiger Rechtsanwalt S zu sichern. Zur Zeit müsse noch von einer langen Verfahrensdauer ausgegangen werden. Es sei im übrigen angezeigt, sich der besonderen Sachkunde von Rechtsanwältin T zu versichern. Die Störungen im Verhältnis der Angeklagten zu Rechtsanwältin T seien nicht geeignet, Rechtsanwältin T aus ihrem Verteidigeramt zu entlassen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Angeklagten, der der Strafkammervorsitzende nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hält das Rechtsmittel für unzulässig, weil die Angeklagte durch die Aufrechterhaltung der Bestellung von Rechtsanwältin T zur Pflichtverteidigerin nicht beschwert sei.

Über den Antrag der Angeklagten auf Zurücknahme der Bestellung des Rechtsanwalts Dr. K hat der Strafkammervorsitzende noch nicht entschieden.

III.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 304 StPO zulässig und auch begründet.

1.

Die vom Senat (MDR 1986, 604; Beschluss vom 5. April 1989 - 1 Ws 302/89) und auch sonst in der Rechtsprechung (OLG Celle NStZ 1988, 39; OLG Koblenz OLGSt Nr. 1 zu § 142 StPO; OLG Frankfurt NJW 1972, 2055) vertretene Ansicht, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers und auch die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger oder Pflichtverteidiger sei mangels Beschwer in der Regel einer Anfechtung entzogen, gilt insbesondere für Fälle, in denen die Bestellung eines weiteren Pflichtv...

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