Leitsatz (amtlich)

1. Reichen Eheleute, deren Erbvertrag der Notar beurkundet hat, bei diesem einen privatschriftlichen "Nachtrag" ein, in dem sie den Notar als Testamentsvollstrecker einsetzen, ohne dass er die im Nachtrag enthaltenen Erklärungen oder die Übergabe des Nachtrags als letztwillige Verfügung beurkundet, so stehen der Wirksamkeit der Ernennung des Notars zum Testamentsvollstrecker §§ 7, 27 BeurkG iVm § 125 BGB nicht entgegen.

2. Die Verwahrung des "Nachtrags" zusammen mit der Haupturkunde oder Anheftung an diese führt nicht dazu, dass nunmehr eine einheitliche Urkunde vorliegt und die Urkundstätigkeit des Notars sich dann auch auf den an die Haupturkunde angeklebten oder angehefteten und in ihr verwahrten privatschriftlichen "Nachtrag" erstreckt.

3. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Frage des Vorliegens einer Urkundstätigkeit oder eines Umgehungstatbestands bei der Bestellung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker erfordert.

 

Normenkette

BeurkG §§ 7, 27, 30, 44; BGB §§ 125, 2232 S. 1 Var. 2, § 2276 Abs. 1 S. 2, § 2368 Abs. 1; DONot § 16 Abs. 2, §§ 18, 30; FamFG § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Geldern (Aktenzeichen 26 VI 867/19)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, von den geäußerten Bedenken gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses abzusehen und über den Antrag auf dessen Erteilung unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen erneut zu entscheiden.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1.

Der Erblasser hatte, teils gemeinsam mit der Beteiligten zu 1, mehrere Verfügungen von Todes wegen errichtet. Zuletzt errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 am 15. Oktober einen notariellen Erbvertrag (UR Nr. 5424 für 2001), der von dem Beteiligten zu 4 als Notar beurkundet wurde. Darin hoben sie alle früheren Verfügungen von Todes wegen auf und regelten die Erbfolge neu.

Am selben Tag setzten die Eheleute ein von beiden unterzeichnetes handschriftliches Schreiben auf, das wie folgt lautet:

"Nachtrag zu dem Erbvertrag vom 15/10.01. (UR Nr. 5423 für 2001)

Ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung an.

Testamentsvollstrecker soll Notar ... (der Beteiligte zu 4) sein."

Der Beteiligte zu 4 hat Erteilung eines Testamentsvolltreckerzeugnisses beantragt.

Mit Beschluss vom 26. Nov. 2019 hat das Nachlassgericht den Antrag zurückgewiesen.

Es hat ausgeführt, Testamentsvollstrecker solle hier der den Erbvertrag beurkundende Notar sein. Dieser habe durch Verbindung des Erbvertrages mit der handschriftlichen Erklärung über die Anordnung der Testamentsvollstreckung und Benennung des Testamentsvollstreckers eine einheitliche Urkunde unter einheitlichem Aktenzeichen geschaffen, die in amtliche Verwahrung genommen worden sei. In einem solchen Fall sei die Benennung des Beurkundungsnotars wegen Verstoßes gegen § 7 BeurkG, § 125 BGB als unwirksam anzusehen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 4.

Er macht geltend, es treffe nicht zu, dass er den notariellen Erbvertrag mit dem handschriftlichen Nachtrag fest verbunden habe. Tatsächlich sei es so gewesen, dass ihn der Erblasser nach Beurkundung des Erbvertrages - und nachdem die Beteiligten das Notariat bereits verlassen hatten - angerufen und ihm mitgeteilt habe, man beabsichtige, ihn als Testamentsvollstrecker einzusetzen. Die Bitte, einen entsprechenden Zusatz in die Urkunde aufzunehmen, habe er zurückgewiesen und stattdessen dem Erblasser den Text einer Testamentsvollstreckerbestimmung diktiert. Die vom Erblasser in anderer inhaltlicher Form geschriebene und von beiden Eheleuten unterschriebene Urkunde sei später im Notariat abgegeben worden, wobei keinem der Beteiligtenaufgefallen sei, dass im Kopf eine "falsche" UR-Nummer eingetragen gewesen sei. Dieser handschriftliche Nachtrag sei mit Schreiben vom 26. Okt. 2001 an die Standesämter Krefeld und Höhr-Grenzhausen übermittelt worden. Eine feste Verbindung beider Dokumente lasse sich den Original-Urkunden nicht entnehmen. Letztlich könne dahingestellt bleiben, ob die vom Amtsgericht (zu Unrecht) angenommene Verbindung bestanden habe. Denn auch dann wäre nicht von einer Unwirksamkeit der Testamentsvollstreckerbestimmung auszugehen. Die setze nämlich voraus, dass die Willenserklärung Bestandteil der Urkundstätigkeit des Notars geworden sei. Daran fehle es hier. Die Übergabe sei nach Abschluss der notariellen Beurkundung erfolgt. Daher erstrecke sich die Beweiswirkung der öffentlichen Urkunde nicht auf den Vorgang der Übergabe, so dass die Voraussetzungen der §§ 2232 S. 1 2. Alt. BGBG nicht vorlägen. Daran ändere auch die (zu Unrecht angenommene) spätere Verbindung nichts.

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