Leitsatz (amtlich)

Das bloße Inaussichtstellen einer Sorgerechtsvollmacht führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ist im Allgemeinen kein geeignetes Mittel der Konfliktvermeidung und steht daher einer Sorgeübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB in aller Regel nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Aktenzeichen 252 F 336/16)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Düsseldorf vom 14.09.2017 wird auf seine, des Kindesvaters, Kosten zurückgewiesen.

II. Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Ihre Trennung erfolgte im Mai 2009. Seitdem betreut und versorgt die Kindesmutter den gemeinsamen Sohn F. Der Kindesvater hat regelmäßig Umgang mit F. Der Umgang und weitere kindbezogene Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern sind seit 2011 Gegenstand von insgesamt acht familiengerichtlichen Verfahren gewesen. In dem vor dem Amtsgericht im Jahr 2016 geführten, von der Kindesmutter mit dem Begehren auf Umgangsaussetzung eingeleiteten Verfahren (Az. 252 F 137/16) einigten sich die Kindeseltern mit vor dem Amtsgericht geschlossener Vereinbarung vom 07.06.2016 auf die Durchführung einer Familien- und Lebensberatung, wobei zunächst eine getrennte Beratung der beiden Elternteile erfolgen sollte. Diese Beratungen sind aufgenommen worden und laufen noch.

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter auf deren Antrag die elterliche Sorge für F. übertragen. Die gemeinsame elterliche Sorge sei aufzuheben, weil die Kindeseltern mangels Kooperationsfähigkeit, Konsensbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit nicht in der Lage seien, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Die acht seit 2011 geführten Kindschaftsverfahren ließen eine tiefgreifende Zerrüttung auf der Elternebene erkennen. Verschiedene Beratungsansätze seien erfolglos verlaufen. Das Kind werde durch den langjährigen und erheblichen Elternstreit belastet und befinde sich in einem Loyalitätskonflikt, wie schon die Kindesanhörung ergeben habe. Darauf, ob insoweit einem Elternteil Verschulden vorzuwerfen sei, komme es nicht an, da allein das objektiv zu bestimmende Kindeswohl den Ausschlag gebe. Die elterliche Sorge sei nach dem Kontinuitätsgrundsatz der Kindesmutter zu übertragen, da das Kind nach der Elterntrennung immer bei der Kindesmutter gelebt habe und das Kind nach dem Ergebnis der Kindesanhörung zu dieser eine engere Bindung habe. Eine Entscheidung sei schließlich nicht mit Blick auf die im Umgangsverfahren (Az. 252 F 137/16) getroffene Vereinbarung vom 07.06.2016 entbehrlich, da die Erfahrungen der Vergangenheit eine Regelung im Interesse des Kindes geböten. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern bedürfe es nicht, erschienen doch beide Kindeseltern geignet, das Kind angemessen zu erziehen.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Kindesvater weiterhin Zurückweisung des Sorgerechtsantrags der Kindesmutter. Er rügt, die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein, des Kindesvaters, Elternrecht dar, zumal die von den Kindeseltern aufgenommene Elternberatung gute Fortschritte mache, sich die Elternkommunikation positiv entwickle und Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für das Kind nicht absehbar seien. Unter dem Blickwinkel des Kindeswohls sei insbesondere zu berücksichtigen, dass es für den Jungen von Bedeutung sei, den Kindesvater als Identifikationsfigur und als für seine, des Jungen, Entwicklung verantwortliche Person zu erfahren. Zumindest seien als mildere Maßnahmen die Übertragung lediglich von Teilbereichen der elterlichen Sorge oder die Erteilung einer Generalvollmacht zu erwägen. Die Übertragung des Sorgerechts reduziere nicht das möglicherweise noch vorhandene Streitpotenzial. Bei Zweifeln an der Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge sei ein kinderpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Kindesmutter und Verfahrensbeistand verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts.

II. Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters ist nicht begründet. Völlig zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Amtsgericht die elterliche Sorge für F. gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB der Kindesmutter übertragen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1. Die Voraussetzungen für eine gemeinsame Sorgetragung durch die Kindeseltern liegen nicht vor.

a) Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zu...

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