Leitsatz (amtlich)

1. Ungeachtet des Wortlauts des § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO entscheidet über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle über die Gestattung der Grundbucheinsicht nicht der Grundbuchrichter, sondern der Rechtspfleger (Anschluss an OLG Rostock - 3 W 12/10 - vom 8.2.2010 in Juris).

2. Das Interesse, mit Blick auf eventuelle Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben oder eventuelle Ansprüche gegen einen beschenkten Dritten festzustellen, ob der frühere Eigentümer das Grundstück aufgrund Kaufvertrages, Schenkungsvertrages oder eines gemischten "Kauf-Schenkungsvertrages" übertragen hat, kann nicht mit dem Antrag auf Einsicht in das Bestandsverzeichnis bzw. Abteilung 1 des Grundbuchs geltend gemacht werden.

 

Normenkette

GBO § 12 Abs. 1 S. 1, § 12c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4; RPflG § 3 Nr. 1; RpflG a.F. § 4 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Ratingen (Beschluss vom 05.08.2010)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2, die im Grundbuch nicht als Eigentümer oder Berechtigte eingetragen sind, haben die Erteilung von Grundbuchauszügen - Bestandsverzeichnis und Abteilung 1 - aus dem Grundbuch von Breitscheid, Blätter ... und ... begehrt.

Sie haben ein rechtliches Interesse damit begründet, dass ihnen vermutlich erhebliche Pflichtteils(ergänzungs-) ansprüche nach ihrer verstorbenen Großmutter zustünden, die ehemals als Eigentümerin der dort verzeichneten Grundstücke eingetragen gewesen sei.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Erteilung der Auszüge am 4.8.2010 mangels Vorliegens eines rechtlichen Interesses abgelehnt.

Hiergegen haben sich die Beteiligten zu 1 und 2 unter dem 30.7.2010 mit der Erinnerung gewandt.

Das AG - Rechtspflegerin - hat die Erinnerung als Antrag gem. § 12c Abs. 4 GBO ausgelegt, diesen mit Beschluss vom 5.8.2010 abgelehnt und ausgeführt, die im Jahr 2010 verstorbene Erblasserin sei weder gegenwärtig als Eigentümerin des in Rede stehenden Grundbesitzes verzeichnet noch zum Zeitpunkt ihres Todes als Eigentümerin verzeichnet gewesen. Sie habe die Grundstücke bereits 2002 (Blatt ...) bzw. 2005 (Blatt ...) veräußert. Der Grundbesitz falle somit nicht in den Nachlass. Grundbuchauszüge seien daher aus Datenschutzgründen mangels Vorliegens eines rechtlichen Interesses nicht zu erteilen.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit der Beschwerde und machen ergänzend geltend, sie seien "in erbrechtlicher bzw. pflichtteilsrechtlicher Hinsicht" an die Stelle ihres verstorbenen Vaters getreten. Sie hätten aufgrund der nach Art und Inhalt derzeit noch unbekannten Grundstücksübertragung (Testamentseröffnung zu 14 IV 84/03 AG Ratingen) möglicherweise Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.8.2010 nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.

II.1. Die Beschwerde ist gem. §§ 12c Abs. 4 Satz 2; 73 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 75 GBO zulässig.

2.a) Zutreffend hat das AG die Eingabe des Beteiligten vom 30.7.2010 als Erinnerung gem. § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO aufgefasst.

b) Die Rechtspflegerin hat ihre Zuständigkeit zu Recht angenommen.

Gegenteiliges ergibt sich nicht daraus, dass über Beschwerden gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 GBO entsprechend dem Wortlaut des § 12c Abs. 4 GBO ausdrücklich der Grundbuchrichter zu entscheiden hat.

Während eine Meinung die Auffassung vertritt, dass § 12c Abs. 4 GBO nach wie vor dem Wortlaut gemäß zu beachten sei (Nachweise bei OLG Rostock - 3 W 12/10 - vom 8.2.2010 in Juris), ist eine abweichende Meinung (OLG Rostock, a.a.O., mit Nachweisen) der Auffassung, die Zuständigkeit des Rechtspflegers ergebe sich aus §§ 3 Nr. 1h, 4 RPflG, wonach ihm u. A. die Geschäfte in Grundbuchsachen übertragen sind. Die - unverändert gebliebene - Regelung in § 12c Abs. 4 GBO stehe dem nicht entgegen. Insbesondere bedürfe es dazu nicht dessen Änderung. Zwar entscheide nach dem Wortlaut des § 12c Abs. 4 GBO der Grundbuchrichter. Dem Rechtspfleger würden gem. § 3 Nr. 1 RpflG aber gerade die nach den gesetzlichen Vorschriften vom Richter wahrzunehmenden Geschäfte des AG in vollem Umfang übertragen. Nach Aufhebung des Richtervorbehaltes im vormaligen § 4 Abs. 2 Nr. 3 RpflG hinsichtlich Erinnerungen gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftstelle durch das 1. JuMoG sei jene Einschränkung weggefallen und der Rechtspfleger hierfür - wie sonst gem. §§ 3 Nr. 1, 4 Abs. 1 RPflG auch - zuständig.

Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Denn es ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet eine Entscheidung von relativ geringem Gewicht und Schwierigkeitsgrad wie die Grundbucheinsicht, nach dem Willen des (Reform-) Gesetzgebers nach wie vor dem Richter vorzubehalten sein soll.

3. In der Sache ist das Rechtsmittelbegehren nicht begründet.

a) Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten kann gem. § 12 Abs. 1 und 2 GBO, § 46 Abs. 1 und 3 GBV nur gew...

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