Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer auf § 3 Abs. 1 VerschG gestützten Todeserklärung spricht keine Vermutung für das Vorliegen ernstlicher Zweifel am Fortleben des Betroffenen.

2. Sind über das Schicksal des Betroffenen keine Nachrichten zu erlangen, so rechtfertigt dies die Annahme einer Nachrichtenlosigkeit im Rechtssinne nur, wenn Nachrichten nach Lage der Dinge zu erwarten gewesen wären, was im Falle eines möglichen "Aussteigens" des Betroffenen aus seinen bisherigen Lebensverhältnissen einer näheren Prüfung bedarf.

 

Normenkette

VerschG § 1 Abs. 1, §§ 2-3

 

Verfahrensgang

AG Emmerich (Beschluss vom 17.12.2010; Aktenzeichen 8 II 8/10)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Betroffene, die Ehefrau des Antragstellers, verließ am 6.1.1999 den ehelichen Grundbesitz und ist seitdem verschwunden. Der Antragsteller erstattete bei der Polizei Vermisstenanzeige, jedoch blieben die polizeilichen Nachforschungen ergebnislos. Im Jahre 2000 wurde auf Antrag des hiesigen Antragstellers eine Abwesenheitspflegschaft eingerichtet, um finanzielle Angelegenheiten der Eheleute zu regeln.

Mit Schrift seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8.2.2010 hat der Antragsteller, unter Berufung auf den zwischenzeitlichen Zeitablauf von mehr als zehn Jahren und gestützt auf § 3 Abs. 1 VerschG, einen Antrag auf Eröffnung des Aufgebotsverfahrens nach §§ 13 ff. VerschG mit dem Ziel, die Betroffene für tot zu erklären, gestellt.

Diesen Antrag hat das AG durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen.

Gegen den ihm am 22.12.2010 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seinem am 20.1.2011 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel. Diesem hat das AG mit weiterem Beschluss vom 3.2.2011 nicht abgeholfen; es hat die Sache dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beteiligten zu 2. bis 5. haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte und der Pflegschaftsakte 6 VIII 7362 AG Emmerich am Rhein Bezug genommen.

II. Das gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2b) VerschG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Gemäß § 2 VerschG kann ein Verschollener unter den Voraussetzungen der dortigen §§ 3 bis 7 im Aufgebotsverfahren für tot erklärt werden. Der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 VerschG zufolge ist verschollen, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden. § 3 Abs. 1 VerschG bestimmt bei Personen, die älter als 25, aber jünger als 80 Jahre sind, dass die Todeserklärung zulässig ist, wenn seit dem Ende des Jahres, in dem der Verschollene nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat, zehn Jahre verstrichen sind. Alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Tatsachen hat der Antragsteller vor Einleitung des Aufgebotsverfahrens glaubhaft zu machen, § 18 VerschG.

Die Obliegenheit des Antragstellers zur Darlegung und Glaubhaftmachung bezieht sich zumindest bei einem auf § 3 VerschG gestützten Antrag auf sämtliche Voraussetzungen der Verschollenheit gem. § 1 Abs. 1 VerschG. Soweit die Beschwerdebegründung der Kommentierung bei Staudinger (heute: Habermann, BGB, Neubearb. 2004,

§ 2 VerschG Rz. 4 und 5; nicht ohne weiteres damit in Einklang zu bringen jedoch § 1 VerschG Rz. 7 und § 3 VerschG Rz. 2 a.E.) letztlich entnehmen will, dass für das Vorliegen des Erfordernisses der ernstlichen Zweifel am Fortleben des Betroffenen eine Vermutung spreche, wenn ein Tatbestand der §§ 3 bis 7 VerschG erfüllt sei, kann dem nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass zweifelhaft erscheint, ob die dortigen Ausführungen einen so weitgehenden Rückschluss tragen würden, mag es sein, dass in Fällen der sog. Gefahrverschollenheit (§§ 4 bis 7 VerschG) faktisch allein durch die Umstände, durch die die Verschollenheit begründet wurde, ernstliche Zweifel am Fortleben regelmäßig bestehen. Das gilt aber nicht für § 3 VerschG, der - neben der Voraussetzung der Verschollenheit - allein auf einen bestimmten Zeitablauf abstellt. Mit dem Standpunkt der Rechtsmittelbegründung würde im Ergebnis bei jedem Betroffenen zwischen 25 und 80 Jahren, dessen Aufenthalt nachrichtenlos seit über zehn Jahren unbekannt ist, eine gesetzliche Verschollenheitsvermutung eingeführt. Hierfür findet sich im Gesetz aber keine Stütze (BayObLG Rpfleger 1999, S. 229 f.). Vielmehr setzt eine Todeserklärung gem. §§ 1 und 3 VerschG konkrete Umstände voraus, die für das Ableben sprechen (OLG Oldenburg OLGReport Oldenburg 1997, S. 275). Erst wenn solche feststellbar sind, stellt sich die Frage, ob sie am Fortleben "ernstliche Zweifel" begründen. Hierzu hat das BayObLG die Auffassung vertreten, solche ernstlichen Zweifel lägen vor, wenn der Tod des Vermissten für einen vernünftig Denkenden mindestens ebenso wahrscheinlich sei wie sein Fortleben (MDR 1999, S. 1270). De...

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