Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Prozessbevollmächtigte des Erblassers wird für mehrere Auftraggeber tätig, wenn er den Prozess nach dem Tode des Erblassers für dessen Erben fortführt.

 

Normenkette

BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 26.04.1996; Aktenzeichen 5 O 241/94)

 

Tenor

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Wuppertal vom 26. April 1996 wird kostenfällig zurückgewiesen.

 

Gründe

1)

Das gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 RpflG als sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht den Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO in Höhe von 3/10 der Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) mit 355,50 DM netto wegen der durch die Beklagten gebildeten Erbengemeinschaft festgesetzt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

2)

Der Senat hat bisher in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Prozeßgebühr nicht nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöht, wenn der Prozeßbevollmächtigte einer Partei nach deren Tod auf Weisung der Miterben den Rechtsstreit fortfuhrt (JurBüro 1982, 858; Rpfleger 1989, 214). Diese Rechtspraxis war auf die Begründung gestützt, die Erben träten als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Damit erlösche der Geschäftsbesorgungsvertrag des Prozeßbevollmächtigten mit dem Erblasser durch dessen Tod im Zweifel nicht und auch die Prozeßvollmacht nach § 86 ZPO werde nicht aufgehoben. Entsprechend werde der Prozeßbevollmächtigte, auch wenn er auf Weisung mehrerer Erben den Rechtsstreit weiterführe, nach einhelliger Ansicht der Rechtsprechung mangels eines weiteren Auftrages nicht für mehrere Auftraggeber im Sinne des § 6 Abs. 1 BRAGO tätig (Senat JurBüro 1982, 858 mit Hinweis auf OLG Nürnberg, JurBüro 1961, 604; OLG München MDR 1961, 699; OLG Bamberg, JurBüro 1978, 1180; OLG Schleswig JurBüro 1979, 524; Mümmler Anm. zu OLG Bamberg a.a.O.; Gerold/Schmidt, § 6 BRAGO Rdnr. 38).

Die inzwischen herrschend gewordene Ansicht in Rechtsprechung und Literatur vertritt das gegenteilige Ergebnis. Danach wird der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO tätig, wenn er mehrere Erben vertritt, die einen vom Erblasser begonnenen Rechtsstreit fortführen (OLG Hamburg MDR 1989, 830; OLG Schleswig JurBüro 1989, 1391; OLG Stuttgart, MDR 1990, 1126; OLG Saarbrücken JurBüro 1990, 1612; OLG Bamberg JurBüro 1991, 821, OLG Hamm JurBüro 1994, 730; OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 304; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Kommentar zur BRAGO, 12. Aufl., § 6, Rdnr. 9; Riedel/Sußbauer, Kommentar zur BRAGO, 6. Aufl., § 6 Rdnr. 14; Swolana/Hansens, Kommentar zur BRAGO, 7. Aufl., § 6 Rdnr. 6; Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Stichwort „mehrere Auftraggeber”, Anm. 6.2 – anders die Vorauflage –; anderer Ansicht: OLG Frankfurt AnwBl 1981, 403; OLG Koblenz MDR 1993, 284 und Hartmann/Albers, Kostengesetze, 26. Aufl., § 6 BRAGO, Rdnr. 9).

3)

Der Senat nimmt den vorliegenden Fall zum Anlaß, seine eingangs geschilderte Rechtspraxis aufzugeben und sich der herrschenden Ansicht anzuschließen. Dafür sind im einzelnen die folgenden Gründe maßgeblich:

Nach einer Senatsentscheidung vom 28. Februar 1995 (Aktz. 10 W 19/95) sind die Mitglieder einer Erbengemeinschaft als. Auftraggebermehrheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BRAGO zu behandeln, wobei es gleichgültig ist, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivprozeß der Erbengemeinschaft handelt (veröffentlicht in JurBüro 1995, 304; AnwBl. 1995, 376; Rpfleger 1995, 477). Für die Frage des Anfalls des Mehrvertretungszuschlages gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO kann es indes keinen entscheidenden Unterschied bedeuten, ob die Miterben den Prozeßbevollmächtigten originär mandatieren, oder ob dieser erst nach dem Tode des Auftraggebers für dessen Erben als Personenmehrheit tätig wird. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 6 Abs. 1 BRAGO soll dem mit dem Vorhandensein mehrerer Beteiligter typischerweise verbundenen Mehraufwand des Rechtsanwaltes durch eine Erhöhung der in § 6 Abs. 1 BRAGO enthaltenen Pauschgebühr Rechnung getragen werden. Dem entspricht es, daß der Mehrvertretungszuschlag ohne Rücksicht darauf anfällt, ob im Einzelfall eine Mehrbelastung des Rechtsanwaltes tatsächlich eintritt oder ob bei bestimmten Sachverhalten jedenfalls im Regelfall eine Mehrbelastung angenommen werden kann (BGH NJW 1987, 2240). Für die Frage der Gebührenerhöhung ist nicht entscheidend, ob die mehreren Auftraggeber an den Rechtsanwalt aufgrund einheitlicher Willensbildung herantreten oder im Prozeß als Einheit auftreten. Angesichts der typisierenden und generalisierenden gesetzlichen Regelung kommt es allein darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in welcher der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte...

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