Leitsatz (amtlich)

1. Das Grundbuchamt muss bei entsprechendem Anlass (Ersuchen des britischen Insolvenzverwalters um Eintragung des Insolvenzvermerks und zu besorgender Übergang der Verfügungsbefugnis auf den "trustee") von Amts wegen prüfen, ob der die Eintragung Bewilligende zur Verfügung über das betroffene Grundbuchrecht befugt ist.

2. Die die Bewilligung ersetzende Wirkung eines rechtskräftigen Urteils wird wegen der auch vom Grundbuchamt zu beachtenden Rechtsvermutung des § 891 BGB durch bloße Zweifel des Grundbuchamts am Bestand bzw. Fortbestand der Verfügungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers mit Blick auf ein in England über sein Vermögen eröffnetes Insolvenzverfahren nicht überwunden; sie ist nur widerlegt, wenn dem Grundbuchamt die Unrichtigkeit des Grundbuchs zweifelsfrei belegende Tatsachen bekannt oder nachgewiesen sind.

3. Über das Eintragungsersuchen des englischen Treuhänders ("trustee") hat nicht das Grundbuchamt, sondern das Insolvenzgericht zu entscheiden, dem allein die gesamte Prüfung der kollisions- und insolvenzrechtlichen Voraussetzungen des beantragten Insolvenzvermerks, namentlich der Einordnung und Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Verfahrens sowie der Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners, obliegt.

 

Normenkette

GBO § 19; BGB § 891; ZPO § 894; InsO §§ 80, 343; EuInsVO Art. 16-17; Insolvency Act 1986 sec. 306 (2)

 

Verfahrensgang

AG Mülheim a.d. Ruhr (Aktenzeichen BR-1034+1452)

 

Tenor

Die vorbezeichnete Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den auf das Versäumnisurteil des LG Duisburg vom 1.12.2009 gestützten Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten zu 1 bis 4 vom 30.4./4.5.2010 nicht mit der Begründung abzulehnen, dass das Versäumnisurteil mit Blick auf ein am 4.2.2009 in England über das Vermögen des Beteiligten zu 5 eröffnetes Insolvenzverfahren unwirksam sei.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1-5 sind bzw. waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die als Eigentümerin des eingangs bezeichneten Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen ist.

Die Beteiligten zu 1 - 4 erwirkten gegen den Beteiligten zu 5 am 1.12.2009 ein Versäumnisurteil des LG Duisburg, das seit dem 5.2.2010 als rechtskräftig geführt ist, wonach der Beteiligte zu 5 verurteilt wird, die Berichtigung der beim AG Dinslaken im Teileigentumsgrundbuch von Dinslaken Blatt 13357 verzeichneten Eigentumseintragung dahingehend zu bewilligen, dass er nicht mehr Mitglied der Gesellschaft und damit nicht mehr Miteigentümer zur gesamten Hand ist.

Durch Vertrag vom 26.3.2010 verkauften die Beteiligten zu 1 - 3 ihre Gesellschaftsanteile an den Beteiligten zu 4, an den sie zugleich rückwirkend zum 1.1.2010 ihre Gesellschaftsanteile an der GbR abtraten.

Die Beteiligten zu 1 - 4 haben am 30.4./4.5.2010 unter Bezug auf die Urkunde Nr ... der Urkundenrolle für 2010 vom 27.4.2010 des Notars S. in Dinslaken den Vollzug der Berichtigung der Eigentümereintragung bewilligt und beantragt und geltend gemacht, mit dem Ausscheiden des Beteiligten zu 5 aus der GbR infolge des mit Rechtskraftvermerk versehenen Versäumnisurteils des LG Duisburg vom 1.12.2009 und dem Verkauf und der Abtretung der Gesellschaftsanteile an den Beteiligten zu 4 durch den notariellen Vertrag vom 26.3.2010 sei die Gesellschaft erloschen, mit der Folge, dass das Gesellschaftsvermögen gem. § 738 BGB dem Beteiligten zu 4 ohne Übertragungsakt angewachsen sei.

Das Grundbuchamt hatte mit "Zwischenverfügung" vom 24.8.2010 gegenüber den Beteiligten zu 1 -5 ausgeführt:

Dem Antrag könne noch nicht entsprochen werden.

Das Grundbuchamt habe die Mitteilung erhalten, dass am 4.2.2009 in England das Konkursverfahren über das Vermögen des Beteiligten zu 5 eröffnet worden sei. Somit könne die Grundbuchberichtigung nicht auf das Urteil des LG Duisburg vom 1.12.2009 gestützt werden, da dieses erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens ergangen sei. Das Verfahren vor dem LG sei somit zu diesem Zeitpunkt nach § 240 ZPO unterbrochen gewesen. Die Eröffnung eines Konkursverfahrens im Ausland über das Vermögen einer Partei eines inländischen Rechtsstreits führe grundsätzlich zur Unterbrechung gem. § 240 Abs. 1 ZPO, wenn das fragliche Verfahren im Inland anerkennungsfähig ist. Gemäß Art. 16 Abs. 1 EG-VO 1346/2000 entfalte grundsätzlich eine durch ein nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung international zuständiges Gericht erfolgte Verfahrenseröffnung in jedem Mitgliedsstaat die Wirkungen nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung. Das Konkursverfahren nach englischem Recht werde von der EG-VO 1346/2000 erfasst, so dass die Unterbrechung von Amt wegen zu berücksichtigen gewesen sei und zur Unwirksamkeit des Urteils geführt habe (§ 249 Abs. 2 ZPO). Das Urteil sei mithin nicht rechtskräftig. Der englische Treuhänder sei gem. Art. 18 Abs. 1 EG-VO 1346/2000 berechtigt, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates alle Befugnisse auszuüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen. Gemäß Schedule 5 - Powers of Trustee i...

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