Leitsatz (amtlich)

1. Die Erfüllung von Insolvenzanforderungen durch den "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter kann der Insolvenzanfechtung unterliegen.

2. Befriedigt der vorläufige Insolvenzverwalter ohne jeglichen Anlass Insolvenzanforderungen, die vor seiner Bestellung begründet worden sind, ist ein Vertrauen des Empfängers (Anfechtungsgegners) auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs jedenfalls kann nicht schutzwürdig, wenn dieser die Insolvenzzweckwidrigkeit der Leistung erkennt oder zumindest erkennen muss.

Die Entscheidung ist nach Rücknahme der Revision rechtskräftig.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 29.10.2003; Aktenzeichen 12 O 0278/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Dresden v. 29.10.2003 - Az.: 12 O 278/03 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem auf Antrag v. 22.4.2002 am 16.5.2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des ... Mit Beschluss v. 22.4.2002 hatte ihn das AG Meiningen zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird auf die Anlage K 1 (Bl. 8/9 d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben v. 6.5.2002 informierte er die Beklagte über die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens und seine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 13.5.2002 zahlte er die noch offenen Februar-Löhne und überwies die bereits vor Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Sozialversicherungsbeiträge für Februar 2002 an die Beklagte. Er verlangt von ihr im Rahmen der Insolvenzanfechtung Rückzahlung dieses Betrags. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage gem. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Beklagten sei aufgrund des Schreibens v. 6.5.2002 der Insolvenzantrag bekannt gewesen, die angefochtene Zahlung habe im 3-Monats-Zeitraum gelegen. Die Gläubiger seien nicht nur in Höhe der Arbeitgeberanteile, sondern auch in Höhe der Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung benachteiligt. Die Anfechtbarkeit scheitere nicht daran, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als vorläufiger Verwalter Masseverbindlichkeiten hätte begründen können. Er habe schließlich auch kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit seiner Zahlung bei der Beklagten geschaffen. Dies könne nur der sog. starke vorläufige Insolenzverwalter. Die Umstände des Falles gäben keinen Anlass, ausnahmsweise bei einem sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter von der Schaffung eines Vertrauenstatbestands auszugehen. Befriedigt worden sei eine Altforderung, so dass für die Beklagte erkennbar gewesen sei, dass dies gegen den Zweck des Insolvenzverfahrens verstieß.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Zahlung von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung unterliege mangels Gläubigerbenachteiligung nicht der Insolvenzanfechtung. Entgegen der Auffassung des LG sei der Kläger als starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden, da er zur Fortführung des Betriebs bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung ermächtigt worden sei. Sie sei in ihrem Vertrauen auf die Beständigkeit des Rechtserwerbs schutzwürdig, weil aufgrund der dem Kläger eingeräumten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis von einem Ausschluss der Rückforderung hätte ausgegangen werden können. Insbesondere habe sie keinen Druck auf den Kläger ausgeübt. Die Zahlung der Löhne und der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei zur Fortführung des Unternehmens nicht notwendig gewesen, weil diesbezüglich Ansprüche auf Insolvenzgeldzahlung bestanden hätten. Selbst wenn der Kläger nur schwacher vorläufiger Verwalter gewesen wäre, bestünde ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Beständigkeit seiner Handlungen. Anders als im Fall des OLG Celle (OLG Celle NZI 2003, 95) habe sie sich die Zahlung nicht dadurch verschafft, dass sie eine Zwangslage des Klägers im Hinblick auf die Fortführung des Unternehmens ausgenutzt habe.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG Dresden v. 29.10.2003 - Az.: 12 O 278/03 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil im wesentlichen mit seinem Vorbringen erster Instanz.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht dem Anfechtungsanspruch aus § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO stattgegeben.

Die für jede Insolvenzanfechtung notwendige Gläubigerbenachteiligung liegt auch in Hö...

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