Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufiger Insolvenzverwalter. Zustimmungsvorbehalt. Vertrag über Erfüllung von Altverbindlichkeiten bei Gegenleistung des Vertragspartners. Vertrauenstatbestand. Rechtshandlung zur Erfüllung von Altverbindlichkeiten ohne Gegenleistung des Vertragspartners. Anfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter Verträgen des Schuldners über die Erfüllung von Altverbindlichkeiten vorbehaltlos zu, die im Zusammenhang stehen mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners, begründet dies für diesen grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den der Verwalter bei Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann (Ergänzung zu BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704).

b) Stimmt der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattete vorläufige Insolvenzverwalter einer Rechtshandlung des Schuldners zu, durch die gesetzliche Ansprüche oder Altverbindlichkeiten erfüllt werden, ohne dass dies mit einer noch zu erbringenden eigenen Leistung in Zusammenhang steht, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Erfüllungshandlung nach den Regeln der Deckungsanfechtung anfechten (Ergänzung zu BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704).

 

Normenkette

InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2; InsO 129 Abs. 1; InsO 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Urteil vom 20.04.2004; Aktenzeichen 10 U 165/03)

LG Hechingen

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 20.4.2004 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf eigenen Antrag v. 28.2.2003 am 1.5.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A. KG (fortan: Schuldnerin). Diese kam seit Januar 2003 ihren Pflichten zur Lohnzahlung und ihren Beitragsverpflichtungen ggü. der verklagten Sozialversicherungsträgerin nicht nach. Am 28.2.2003 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete u.a. an, dass Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit seiner Zustimmung wirksam seien.

Mit Schreiben v. 9.4.2003 kündigte der Kläger unter Hinweis auf das laufende Insolvenzeröffnungsverfahren der Beklagten ggü. an, dass er, um Zurückbehaltungsrechte der Arbeitnehmer abzuwenden, der Auszahlung der Nettolöhne für den Monat Januar 2003 durch die Schuldnerin zustimmen werde, nicht jedoch einer Auszahlung der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Die Beklagte sah in der Auszahlung der Nettolöhne unter gleichzeitiger Vorenthaltung der hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers und kündigte an, Strafanzeige wegen Verstoßes gegen § 266a StGB zu erstatten. Zur Abwendung der Strafanzeige stimmte der Kläger unter dem Vorbehalt der Anfechtung und Rückforderung der Auszahlung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge durch die Schuldnerin für Januar 2003 von insgesamt 5.830,27 EUR zu. Die Schuldnerin überwies den Betrag am 17.4.2003 auf ein Konto der Beklagten.

Der Kläger hat die an die Beklagte geleistete Zahlung auf Grund des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO angefochten. Die Vorinstanzen haben der Rückzahlungsklage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

1. Die Überweisung der Schuldnerin v. 17.4.2003 erfüllt die Merkmale einer nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO anfechtbaren Rechtshandlung. Sie fällt in den Zeitraum nach dem Insolvenzantrag; der Beklagten war dieser Antrag aus dem Schreiben des Klägers v. 9.4.2003 bekannt.

2. Eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO ist ebenfalls gegeben. Auch den auf die Arbeitnehmerbeiträge entfallenden Teil der Sozialversicherungsbeiträge leistet der Arbeitgeber aus seinem Vermögen. Das Interesse der Arbeitnehmer an der Abführung der Beiträge begründet keine in der Insolvenz des Arbeitgebers geschützte Rechtsposition (BGH v. 25.10.2001 - IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 [105 f.] = BGHReport 2002, 84; Urt. v. 10.7.2003 - IX ZR 89/02, BGHReport 2003, 1241 = MDR 2003, 1376 = ZIP 2003, 1666 [1667]). Entsprechendes hat der Senat für die von den Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer angenommen (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - IX ZR 39/03, BGHReport 2004, 696 = MDR 2004, 775 = ZIP 2004, 513 [517]). Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision nicht nur für den Zeitraum, in dem sich der Sozialversicherungsträger über die Zahlung des Insolvenzgeldes schadlos halten kann, sondern ganz allgemein (vgl. BGH v. 25.10.2001 - IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100 [107] = BGHReport 2002, 84).

II.

Der Kläger ist nicht daran gehindert, die Rückzahlung der am 17.4.2003 von der Schuldnerin erbrachten Sozialversicherungsbeiträge zu verlangen, obwohl er der Erfüllungshandlung als damaliger vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat.

1. Unter der Geltung der Konkursordnung entsprach es der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Konkursverwalter grundsätzlich Rechtshandlungen anfechten konnte, die er selbst in seiner Eigenschaft als Sequester vorgenommen hatte (BGH v. 22.12.1982 - VIII ZR 214/81, BGHZ 86, 190 [195 f.] = MDR 1983, 399; v. 30.1.1986 - IX ZR 79/85, BGHZ 97, 87 [91] = MDR 1986, 580; v. 11.6.1992 - IX ZR 255/91, BGHZ 118, 374 [380 f.] = MDR 1992, 958; Urt. v. 11.6.1992 - IX ZR 147/91, MDR 1992, 959 = ZIP 1992, 1008 [1009]). Konkursverwalter und Sequester konnten von ihrer Funktion her nicht gleichgestellt werden. Die umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Konkursverwalters standen dem Sequester nicht zu. Seine Aufgabe beschränkte sich darauf, die zur Sicherung und Erhalt der zukünftigen Konkursmasse notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die Rechtshandlungen des Sequesters erfolgten vor Konkurseröffnung; sie waren dem Gemeinschuldner zuzurechnen und schon deshalb regelmäßig in gleicher Weise anfechtbar (vgl. BGH, Urt. v. 11.6.1992 - IX ZR 147/91, MDR 1992, 959 = ZIP 1992, 1008 [1009]).

2. Im Anschluss an diese Rechtsprechung besteht auch heute im Grundsatz Einigkeit darüber, dass der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen nach den Vorschriften der §§ 130, 131 InsO anfechten kann, an denen er selbst als vorläufiger Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beteiligt war (Braun/de Bra, InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 21; HK-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 129 Rz. 30; Jaeger/Gerhardt, InsO, Bd. I, § 22 Rz. 230 f.; Kirchhof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 46; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rz. 45; Paulus in Kübler/Prütting, InsO, § 129 Rz. 17; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 129 Rz. 39 f.; Smid/Zeuner, InsO, § 129 Rz. 24; OLG Celle v. 12.12.2002 - 13 U 56/02, OLGReport Celle 2003, 153 = ZIP 2003, 412 [413]).

a) Wie der BGH bereits entschieden hat, betrifft § 55 Abs. 2 InsO ausschließlich Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist; die Vorschrift ist dagegen weder unmittelbar noch entsprechend auf Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot anzuwenden (BGH v. 18.7.2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 [358, 363] = BGHReport 2002, 953 = MDR 2002, 1454). Führt seine Mitwirkung an Schuldnerhandlungen nicht analog § 55 Abs. 2 InsO zu einer Masseschuld, ist seine Stellung der des Insolvenzverwalters nicht derart angenähert, dass eine Anfechtung seiner Rechtshandlungen von vornherein ausscheidet.

Ob das für Rechtshandlungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot auch insoweit gelten kann, als er durch wirksame Einzelermächtigung berechtigt ist, Masseverbindlichkeiten zu begründen (BGH v. 18.7.2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353 [358, 366 f.] = BGHReport 2002, 953 = MDR 2002, 1454), kann offen bleiben (vgl. hierzu HK-InsO/Kreft, 3. Aufl., § 129 Rz. 31). Dem Kläger waren zwar Einzelermächtigungen zur Begründung von Masseverbindlichkeiten u.a. für Versorgungsleistungen und Nutzungsverhältnisse erteilt worden, nicht jedoch für den Regelungsbereich der hier streitigen Arbeitsverhältnisse.

b) Im Schrifttum wird teilweise erwogen, die grundsätzliche Anfechtbarkeit von Erfüllungshandlungen des Schuldners einzuschränken, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt der Rechtshandlung zuvor zugestimmt hat (Ganter, FS für Walter Gerhardt, 2004, S. 237, 242-245; Marotzke, Gegenseitige Verträge im neuen Insolvenzrecht, 3. Aufl., Rz. 14.102; Krchof in MünchKomm/InsO, § 129 Rz. 45). Der BGH hat diese Frage in seiner grundlegenden Entscheidung v. 13.3.2003 (BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [193] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704) offen gelassen, weil nach seiner Auffassung, die in diesem Punkt allerdings Kritik erfahren hat (vgl. de Bra, LMK 2003, 135; Franke/Böhme, DZWIR 2003, 494 [495]; Gundlach/Schirrmeister, DZWIR 2003, 294), jedenfalls die der Erfüllungshandlung zu Grunde liegende schuldrechtliche Abrede, dass der Vertragspartner bei Erbringung der (Neu-)Leistung auch die Bezahlung der Altforderung erhalte, gem. § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen unmittelbarer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger anfechtbar sei (BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [194] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704).

c) Im Streitfall fehlt es an einer der Zahlung zu Grunde liegenden schuldrechtlichen Abrede zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, die als unmittelbar nachteilige Rechtshandlung nach § 132 InsO anfechtbar sein könnte. Deshalb wird die Streitfrage erheblich, ob die Schuldtilgung allein deshalb unanfechtbar ist, weil der Kläger ihr als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat. Der Senat beantwortet sie dahin, dass die Anfechtung auch in diesem Fall nur ausgeschlossen ist, wenn der spätere Insolvenzverwalter durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand beim Empfänger begründet hat und dieser infolgedessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) damit rechnen durfte, ein nicht mehr entziehbares Recht errungen zu haben (BGH v. 11.6.1992 - IX ZR 255/91, BGHZ 118, 374 [381 f.] = MDR 1992, 958; v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [199] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704).

aa) In dem Urteil v. 13.3.2003 (BGH v. 11.6.1992 - IX ZR 255/91, BGHZ 118, 374 [381 f.] = MDR 1992, 958; v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [193] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704) werden die Gründe, aus denen die Grundsätze zur Anfechtbarkeit von Sequesterhandlungen nicht unbesehen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne allgemeine Verfügungsbefugnis übertragen werden können, angesprochen: Der Zustimmungsvorbehalt solle zwar die künftige Insolvenzmasse schützen, nicht aber zugleich das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzbeständigkeit von Zustimmungen eines derart ausgestatteten vorläufigen Verwalters erschüttern. Stimme der vorläufige Insolvenzverwalter einer Verfügung des Schuldners zu, dürfe der Geschäftspartner möglicherweise darauf vertrauen, dass eine bloß mittelbare, im Zeitpunkt der Verfügung vielleicht noch nicht erkennbare Gläubigerbenachteiligung nicht zur Anfechtung führe.

Der BGH hat durch diesen Hinweis auf die Gefahr eines Wertungswiderspruchs, den es zu meiden gilt, aufmerksam gemacht. Könnte ein vorläufiger Verwalter, der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) und der einer Erfüllungshandlung des Schuldners zugestimmt hat, nach der Insolvenzeröffnung und seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter mit Erfolg die Anfechtung erklären, so wäre für den Zahlungsempfänger die Zustimmung des vorläufigen Verwalters zur Leistung des Schuldners letztlich wertlos. Die Voraussetzungen der Deckungsanfechtung gem. § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO wären in einem solchen Fall regelmäßig gegeben. Die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts, welche die weitere Teilnahme des Schuldners am Rechts- und Geschäftsverkehr ermöglichen soll, könnte keine Wirkung entfalten. Dies würde sich insb. in den Fällen des beabsichtigten Erhalts des Schuldnerunternehmens (§ 1 S. 1 InsO) negativ auswirken. Denn der vorläufige Insolvenzverwalter wird die für die Unternehmensfortführung notwendigen Vertragspartner nur finden, wenn diese grundsätzlich darauf vertrauen können, dass die mit dem vorläufigen Verwalter getroffenen Vereinbarungen auch in der Insolvenz Bestand haben (näher hierzu Ganter, FS für Walter Gerhardt, 2004, S. 243).

bb) Die deshalb nach Sinn und Zweck notwendige Einschränkung der Anfechtbarkeit von Erfüllungshandlungen erfordert es jedoch nicht, Handlungen zur Schuldtilgung generell der Deckungsanfechtung zu entziehen, wenn ihnen der vorläufige, mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete Insolvenzverwalter zuvor zugestimmt hat. Der von BGHZ 154, 190, 194 angesprochene Vertrauensschutz steht der Anfechtbarkeit vielmehr nur entgegen, wenn der Leistungsempfänger auf die Rechtsbeständigkeit des Verhaltens des vorläufigen Verwalters tatsächlich vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist (de Bra, de Bra, LMK 2003, 135; Franke/Böhme, DZWIR 2003, 494 [495]; Gundlach/Schirrmeister, DZWIR 2003, 294; Ganter, FS für Walter Gerhardt, 2004, S. 254).

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

(1) Stimmt der vorläufige Insolvenzverwalter, der mit der Rechtsstellung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO (Zustimmungsvorbehalt) ausgestattet ist, Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zu, die dieser mit dem Vertragspartner nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen schließt und in denen im Zusammenhang mit noch zu erbringenden Leistungen des Vertragspartners Erfüllungszusagen für Altverbindlichkeiten gegeben werden, begründet dies grundsätzlich einen Vertrauenstatbestand, den er später bei der Vornahme der Erfüllungshandlung durch den Schuldner nicht mehr zerstören kann. Dies gilt unabhängig davon, ob er mit dem späteren Insolvenzverwalter personenidentisch ist oder nicht. Denn das von dem vorläufigen Insolvenzverwalter gesetzte Vertrauen knüpft typischerweise nicht an die bestellte Person, sondern an dessen Funktion an. Hat sich der vorläufige Verwalter die Rückforderung bei Eingehung des Vertrages nicht vorbehalten, kann auch ein mit ihm nicht personenidentischer Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch nicht durchsetzen. Den genannten Fallgestaltungen ist gemeinsam, dass der Vertragspartner wegen der Einbindung des vorläufigen Insolvenzverwalters in den Vertragsschluss keinen Grund hat, an der Endgültigkeit seines Erwerbs nur deshalb zu zweifeln, weil der vorläufige Insolvenzverwalter keine volle Verfügungsmacht (§ 22 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 2 S. 1 InsO), sondern nur Zustimmungsmacht (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO) hatte.

Ließe man in diesen Fällen die Deckungsanfechtung zu, würde allein hierdurch die Fortführung des Schuldnerunternehmens erschwert, vielfach sogar unmöglich gemacht. Dies gefährdete in den Fällen wirtschaftlich sinnvoller Unternehmensfortführungen mittelbar die gemeinschaftliche Befriedigung der Insolvenzgläubiger und stände deshalb in Widerspruch zu den Zielen des Insolvenzverfahrens (vgl. § 1 InsO).

(2) Hat dagegen der vorläufige Insolvenzverwalter schon bei Vertragsschluss die beabsichtigte spätere Anfechtung der von ihm gebilligten oder als Stellvertreter des Schuldners selbst vorgenommenen Deckungshandlung angekündigt, hat er von vornherein keinen Vertrauenstatbestand gesetzt. Der Vertragspartner, der dennoch mit dem Schuldner Verträge schließt, geht bewusst das Risiko ein, dass diese in der Insolvenz keinen Bestand haben. Hierher gehören die vom Senat schon entschiedenen Fallgestaltungen, in denen sich der Vertragspartner des Schuldners hinsichtlich seiner Altforderungen eine Bevorzugung vor anderen Gläubigern verschaffen will, indem er es ausnutzt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter dringend auf seine weiteren Leistungen angewiesen ist (BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190 [199] = MDR 2003, 775 = BGHReport 2003, 704; Urt. v. 13.3.2003 - IX ZR 56/02, BGHReport 2003, 836 = ZIP 2003, 855 [856]).

Wie zu entscheiden ist, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zunächst auf die spätere Rückforderung im Wege der Anfechtung pocht, im Laufe der Vertragsverhandlungen jedoch, um den Abschluss eines neuen Vertrages nicht zu gefährden, hierzu schweigt, bleibt offen.

(3) Stimmt der mit Zustimmungsvorbehalt ausgestattete Insolvenzverwalter einer Erfüllungshandlung des Schuldners zu, die nicht im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss steht, ist der Vertragspartner in aller Regel ebenfalls nicht schutzwürdig. Auch hier macht es keinen Unterschied, ob zwischen dem vorläufigen Verwalter und dem späteren Insolvenzverwalter Personenidentität besteht oder nicht. Unerheblich ist auch, ob der Schuldner auf eine vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vertraglich begründete oder eine gesetzliche Schuld zahlt. Die Fallgestaltungen haben gemeinsam, dass der Gläubiger nach Antragstellung nur noch Zahlung verlangt, diese also von keiner eigenen Leistung an den Schuldner mehr abhängig ist. Damit entfällt der sachliche Grund, diese Erfüllungshandlungen des Schuldners gegenüber anderen Rechtshandlungen zu Lasten der Gläubigergesamtheit zu privilegieren.

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung der Schuldnerin im Streitfall nicht der Deckungsanfechtung entzogen.

a) Die Beklagte durfte nicht damit rechnen, ein insolvenzbeständiges Recht errungen zu haben. Die Zustimmung des Klägers zur Auszahlung der rückständigen Arbeitnehmeranteile steht nicht im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, auf deren Fortbestand diese vertrauen durfte. Ihrem Schutzbedürfnis steht zudem der zuvor erteilte Hinweis des Klägers auf die alsbaldige Anfechtung und Rückforderung entgegen. Die mit der erteilten Einwilligung verbundenen Vorbehalte beruhten auf der von der Beklagten gegen den Kläger angekündigten Strafanzeige, die ersichtlich als Druckmittel eingesetzt werden sollte. Entgegen der Auffassung der Revision steht dieser - auch nach Ablauf des durch das Insolvenzgeld abgedeckten Zeitraums - eine insolvenzrechtliche Bevorzugung nicht zu (BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 56/02, BGHZ 149, 100 [107] = BGHReport 2003, 836). Die Beklagte verfolgte deshalb mit ihrer Ankündigung das Ziel, eine insolvenzzweckwidrige Erfüllung ihrer Ansprüche zu erhalten.

b) Die von der Revision zur Überprüfung gestellten weiteren Gesichtspunkte stehen der Deckungsanfechtung durch den Kläger ebenfalls nicht entgegen.

aa) Der auf Rückgewähr in Anspruch genommene Gläubiger kann dem gegen ihn gerichteten Anfechtungsanspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Insolvenzverwalter hätte seine Zustimmung zu Erfüllungshandlungen ggü. anderen Gläubigern unterlassen oder jedenfalls Erfolg versprechende Anfechtungsklagen auch gegen diese erheben müssen. Der Zusammenhang zwischen den Nettolohnzahlungen und den Sozialversicherungsbeiträgen reicht hierfür nicht aus. Auch aus der grundrechtlichen Rechtsschutzgewährleistung im Sinne einer gleichen Befriedigungschance als Ausfluss der Art. 2, 14 GG i.V.m. Art. 3 GG, auf welche die Revision sich bezieht, ergibt sich hierfür nichts.

bb) Nichts anderes gilt für den Einwand der Revision, die Anfechtung erscheine auch deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger es der Schuldnerin durch seine Zustimmung zur Auszahlung der Nettolöhne ermöglicht habe, den Zugriff der Beklagten auf das Insolvenzgeld nach § 183 SGB III zu vereiteln. Dies könnte nur dann als arglistiges Verhalten zu werten sein, wenn das Insolvenzeröffnungsverfahren von dem Kläger bewusst hinausgezögert worden wäre, um die Beklagte zu schädigen. Dies hat das Berufungsgericht verneint; hiergegen wendet sich die Revision nicht.

 

Fundstellen

BGHZ 2005, 315

BB 2005, 401

NJW 2005, 1118

BGHR 2005, 604

DNotI-Report 2005, 34

EWiR 2005, 511

StuB 2005, 515

WM 2005, 240

WuB 2005, 233

WuB 2005, 247

ZIP 2005, 314

DZWir 2005, 151

InVo 2005, 137

MDR 2005, 712

NZI 2005, 218

ZInsO 2005, 209

ZInsO 2005, 88

ZVI 2006, 31

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