Entscheidungsstichwort (Thema)

Stimmverbot bei Beendigung eines Unternehmenskaufs

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Urteil vom 10.10.2008; Aktenzeichen 2 HKO 2443/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 31.05.2011; Aktenzeichen II ZR 116/10)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen beim LG Chemnitz vom 10.10.2008 - 2 HKO 2443/07, wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen beim LG Chemnitz vom 10.10.2008 - 2 HKO 2443/07, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beklagte, deren Gesellschafter die L. mbH in B. mit einem Anteil von 90 % und Frau S. F. mit einem Anteil von 10 % sind, betreibt in M. ein Pflegeheim. Sie hat mit ihrer Mehrheitsgesellschafterin, der L. mbH (fortan: Holding), am 8.7.1999 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, der nach § 4 Abs. 2 erstmals zum Ablauf des 31.12.2004 mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich gekündigt werden konnte und der sich, falls er nicht gekündigt wird, um jeweils ein Jahr verlängerte. Eine Kündigung aus wichtigem Grund wurde in § 4 Abs. 3 vorgesehen. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten stimmte diesem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in der notariell beurkundeten Gesellschafterversammlung vom 2.8.1999 mit den Stimmen beider Gesellschafter zu, der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages wurde im Handelsregister der Beklagten eingetragen.

Über das Vermögen der Minderheitsgesellschafterin S. F. (fortan: Schuldnerin) wurde am 3.1.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet, der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger beabsichtigt, den Geschäftsanteil der Schuldnerin zu verwerten. Er beantragte in der Gesellschafterversammlung vom 22.11.2007, die Kündigung des mit der Holding bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 8.7.1999 zu beschließen. Die Holding lehnte den Antrag ab, der Kläger stimmte dem Antrag zu. Der Beschlussfeststellung des Versammlungsleiters, dass der Antrag abgelehnt worden sei, widersprach der Kläger unter Hinweis auf ein Stimmverbot der Holding nach § 47 Abs. 4 GmbHG.

Mit per Fax am 19.12.2007, im Original und mit beigefügtem Klageentwurf am 20.12.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 19.12.2007 hat der Kläger Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage beantragt. Das LG hat dem Kläger am 18.2.2008 rückwirkend ab dem 19.12.2007 Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Kläger hat daraufhin am 25.2.2008 die Klageschrift vom 22.2.2008 eingereicht, die der Beklagten am 6.3.2008 zugestellt wurde.

Der Kläger hat vorgetragen, seine Klage sei nicht verfristet, da er binnen der einmonatigen Klagefrist nach § 246 AktG analog Prozesskostenhilfe beantragt habe. Der Holding sei eine Stimmabgabe in der Gesellschafterversammlung vom 22.11.2007 zu dem Antrag auf Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nach § 47 Abs. 4 GmbHG verboten gewesen. Bei der Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der Holding handele es sich um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts ggü. der Holding. Die Beklagte sei zur fristlosen Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages auch berechtigt, da ihm dessen Fortsetzung infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin nicht zumutbar sei. Der Geschäftsanteil der Schuldnerin, dem ein Wert von 77.000 EUR beizumessen sei, falle in die Masse und müsse von ihm zugunsten der Gläubiger der Schuldnerin verwertet werden. Der Anteil sei aber, solange der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestehe, praktisch nicht verkehrsfähig und daher nicht verwertbar. Hilfsweise könne die Beklagte den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nach § 4 Abs. 2 binnen der vereinbarten Frist kündigen. Es entspreche im Übrigen einem allgemeinen Rechtsgedanken, dass gesellschaftsrechtliche Beschränkungen, selbst wenn sie vor der Insolvenz mit Zustimmung des Schuldners vereinbart worden seien, in der Insolvenz Wirkungen nicht entfalten würden. Einschränkungen der Verkehrsfähigkeit des Anteils entfalteten nach § 15 Abs. 5 GmbH im Falle einer Insolvenz keinerlei Wirkung. Er hat deshalb beantragt, den ablehnenden Beschluss vom 22.11.2007 für nichtig zu erklären sowie festzustellen, dass von der Gesellschafterversammlung eine außerordentliche, hilfsweise eine fristgerechte Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages beschlossen worden sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage gegen den Beschluss vom 22.11.2007 sei erst am 6.3.200...

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