Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe gemäß § 40 Abs. 2 StGB sind auch die Sachbezüge dem Einkommen hinzuzurechnen.

2. Bei nahe am Existenzminimum Lebenden kann es geboten sein, vom Nettoeinkommenprinzip abzuweichen und die Tagessatzhöhe zu senken.

3. Die Feststellung des Einkommens aufgrund strikter Regelungen ist mit der Ausübung tatrichterlicher Strafzumessung nicht zu vereinbaren.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Entscheidung vom 13.11.2008; Aktenzeichen 3 Ns 850 Js 599/08)

 

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 13. November 2008 wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten zu tragen hat, als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hatte die Angeklagte wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5,00 EUR verurteilt.

Auf die dagegen gerichtete und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu jeweils 1,00 EUR verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte einen Asylantrag gestellt, über den bislang noch nicht abschließend entschieden ist. Sie wohnt derzeit im Asylbewerberheim und ist Mutter eines im März 2008 geborenen Sohnes, der bei ihr lebt. Der Angeklagten stehen monatlich Sozialleistungen in Höhe von 163,84 EUR zur Verfügung; den darin enthaltenen Anteil an Zuwendungen für Kleidung, Verpflegung und Kosmetika erhält die Angeklagte nicht in bar. Ihr bleiben vielmehr monatlich 46,00 EUR. Hiervon verwendet sie 14,00 EUR für den Erwerb einer Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel, um den regelmäßigen Kontakt zu dem Vater ihres Kindes und weiteren Landsleuten aufrechtzuerhalten. Kindergeldzahlungen erhält die Angeklagte nicht.

Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft beanstandet insbesondere die Tagessatzhöhe und strebt eine Festsetzung auf mindestens 5,00 EUR an. Die Tagessatzhöhe entspreche nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten, sodass die Geldstrafe insgesamt nicht dem Grundsatz der schuldangemessenen Bestrafung gerecht werde.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg; sie erweist sich als unbegründet.

Die vom Landgericht vorgenommene Strafzumessung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Bei der Verhängung einer Geldstrafe bestimmt das Gericht die Höhe eines Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei ist die Bemessung der Tagessatzhöhe ein Teil der Strafzumessung. Sie kann durch das Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden. Denn der Tatrichter hat einen weiten Beurteilungsspielraum, der es ihm gestattet, seine eigene Wertung dergestalt zur Geltung zu bringen, dass sie neben anderen abweichenden Meinungen, auch der des Revisionsgerichts, als gleich richtig zu bestehen vermag und bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen ist (BGHSt 27, 228 [230]). Die Urteilsgründe müssen allerdings eine Ermessensüberprüfung ermöglichen (Fischer, StGB 56. Aufl. § 40 Rdnr. 22 m.w.N.) Diese Prüfung des Revisionsgerichts ist darauf beschränkt, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters ausreichend festgestellt und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt worden sind. Das Revisionsgericht kann den Tatrichter jedoch nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode verpflichten (vgl. BGHSt 27, 212;  27, 228; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007, 167 [168]; LK-Häger, StGB 12. Aufl. § 40 Rdnr. 21).

2. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen lassen die notwendige Ermessensüberprüfung zu; durchgreifende Rechtsfehler sind nicht zu erkennen.

a) Der Gesetzgeber hat sich in § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB bei der Bemessung der Tagessatzhöhe für das Nettoeinkommensprinzip entschieden. Dabei wird als Einkommen ein rein strafrechtlicher und nicht steuerrechtlicher Begriff, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen ist, zugrundegelegt (Fischer, § 40 Rdnr. 7; LK-Häger, § 40 Rdnr. 26). Er umfasst grundsätzlich alle Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie aus sonstigen Einkunftsarten; dabei ist alles einzubeziehen, was dem Täter an Einkünften zufließt und wirtschaftlich gesehen, seine Leistungsfähigkeit und seinen Lebenszuschnitt bestimmt (Fischer, § 40 Rdnr. 7; LK-Häger, § 40 Rdnrn. 26 ff. jeweils m.w.N.).

b) In der Rechtsprechung ist dabei allerdings umstritten, inwieweit auch Naturalbezüge unter die Einkünfte fallen. So wird teilweise die Auffassung vertreten, die in Form von Gutscheinen gewährten Sachbezüge hätten generell außer Betracht zu bleiben, weil sie nicht kapitalisierbar seien (vgl. OLG Dresden, 1. Strafsenat , Urt...

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