Leitsatz (amtlich)

Zur Prüfpflicht des Betreibers eines Mikrobloggingdienstes hinsichtlich anonymer Äußerungen bei Beanstandung durch betroffene Personen, die eine Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend machen (Anschluss an BGH, Urt. v. 25.10.2011 - VI ZR 93/10).

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 18.07.2014; Aktenzeichen 08 O 2940/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger und auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Leipzig vom 18.7.2014 - 8 O 2940/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird auf Antrag der Kläger verurteilt, es zu unterlassen, folgende Äußerungen über das Internetportal Z ... im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

a) "Mindestens vier Millionen Euro Steuerhinterziehung bei ...X plus Strafzahlungen = Knast."

b) "Der Steuerschaden dabei soll sich nach Informationen des M ... auf mindestens 4 Millionen Euro belaufen...X".

c) "Auflösung:... bank. kündigt Kredit für ...X-Neubau. Gute Nacht,... park".

d) "Und - heute schon gepetzt? ...X belohnt Denunzianten".

e) "Mit Hilfe von P. will Y hektisch Anteile an ...X verkaufen, weil das Geld alle ist"

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 250.000 EUR angedroht.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehenden Berufungen werden jeweils zurückgewiesen.

III. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht zuvor die Gegenpartei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.500 EUR festgesetzt.

(Beschwer der Kläger: 10.500 EUR, Beschwer der Beklagten: 3.000 EUR)

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um äußerungsrechtliche Unterlassungansprüche, wobei die Kläger die Beklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung in Anspruch nehmen.

Die Klägerin zu 1 ist ein Online-Unternehmen, das zahlreiche Portale, u.a. in der ... vermittlungsbranche (z.B. "... de") betreibt. Der Kläger zu 2 war deren langjähriger Geschäftsführer und ist nach wie vor deren Gesellschafter.

Die Beklagte ist ein..-... Unternehmen, das als Hostprovider den Mikrobloggingdienst "Z" betreibt.

Gegenstand des Streites sind insgesamt neun unterschiedliche Kurzmitteilungen eines bislang unbekannten Nutzers von Z, mit denen dieser Geschäftspraktiken der Klägerin zu 1 in teilweise scharfer und polemischer Form kritisiert. Dies geschieht auf einer Plattform dieses Nutzers mit dem Nutzernamen "...@...". Ausweislich der Selbstdarstellung dieses Nutzers hat der Mikroblog es sich zur Aufgabe gemacht, die "Machenschaften rund um das kriminelle Unternehmensgeflecht der X-Gruppe" aufzudecken.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Entfernung dieser Mitteilungen aus dem Netz.

Die Parteien streiten zum einen darum, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Beklagten als Störerin erfüllt hat, namentlich ob die Klägerin durch ihr Beanstandungsschreiben vom 15.1.2013 den Anforderungen an ihre Informationspflicht gegenüber dem Hostprovider genügt habe und im Zuge dessen, ob die Haftungsprivilegierung der Beklagten nach § 10 TMG greift oder nicht.

Zum anderen streiten sie um die Einordnung der einzelnen beanstandeten Äußerungen entweder als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung und hinsichtlich letzterem, ob die Äußerungen die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik überschreiten.

Im Einzelnen geht es dabei um folgende ...:

  • am 4.1.2013:

"Der Steuerschaden dabei soll sich nach Informationen des M ... auf mindestens vier Millionenen Euro belaufen" ...X

  • am selben Tag:

"Mindestens vier Millionen Steuerhinterziehung bei ...X plus Strafzahlungen = Knast."

  • am 6.1.2013:

"...X mit Datenschutz-Verstößen in den CC - "They ask for Photo copies of the credit card an ID" - via anonymus"

  • am 5.1.2013:

"X mit http://... com in CC wegen Betrug verurteilt, macht aber fleißig weiter: http:/www.dot."

  • am selben Tag:

"AA erwartet ein Shitstorm. E-Mails aufgetaucht, von AA an ...X. Belegen klar Bevorzugung".

  • am 3.1.2013:

"Mit Hilfe von P. will Y hektisch Anteile an ...X verkaufen, weil das Geld alle ist."

  • am 9.2.2013:

"Auflösung:... bank. kündigt Kredit für ...X-Neubau. Gute Nacht,... park."

  • am 14.1.2013:

"Bei X herrscht Stasi 2.0 - alle werden überwacht!"

  • am selben Tag:

"und, heute schon gepetzt? ...X belohnt Denunzianten. Was für ein Scheißladen."

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.

Das LG hielt die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme nach den Grundsätzen der Störerhaftung dem Grunde nach für gegeben, erachtete aber lediglich zwei der insgesamt neun angegriffenen "..." für unzulässig. Hierbei ordnete es die für unzulässig erachteten Äußerungen bzw. in einem Falle Teiläußerung als Meinungsäußer...

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