Entscheidungsstichwort (Thema)

Kontrolle der Verteidigerpost an einen Strafgefangenen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Recht eines Rechtsanwalts auf freie Verteidigung und Wahrung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Mandanten ist beeinträchtigt, wenn ausreichend als Verteidigerpost gekennzeichnete Post an einen Strafgefangenen in der JVA kontrolliert wird.

2. Das Recht des Verteidigers auf ungehinderten Zugang zu seinem Mandanten unterliegt nicht dessen Dispositionsbefugnis, so dass eine Einwilligung des Gefangenen in die Öffnung und Kontrolle der Post unwirksam ist.

 

Verfahrensgang

LG Bautzen (Entscheidung vom 06.10.2005; Aktenzeichen 4 StVK 191/04)

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Verteidiger des Strafgefangenen . Er hat in dieser Eigenschaft im April 2004 als "Verteidigerpost" gekennzeichnete Briefe an seinen Mandanten gerichtet, der damals in der Justizvollzugsanstalt Bautzen seine Strafe verbüßte. Mittlerweile (am 17. Juni 2004) ist dieser bereits entlassen worden.

Mit der Begründung, die Verteidigereigenschaft sei gegenüber der Justizvollzugsanstalt nicht nachgewiesen worden, hat diese jedenfalls am 21. und am 27. April 2004 mit Einverständnis des Strafgefangenen ..., ohne Wissen des Antragstellers, unter Berufung auf Nr. 2. der Verwaltungsvorschrift zu § 29 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) die Öffnung und Überwachung von Briefen des Antragstellers angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 17. Mai 2004 wie folgt:

"1. Ich beantrage festzustellen, daß die Maßnahmen der Justizvollzugsanstalt Bautzen, die Überwachung des Postverkehrs zwischen mir und dem von mir verteidigten ..., in der Zeit vom 16.04. bis 06.05.2004 betreffend, zuletzt vom 05. und 06.05.2004, rechtswidrig waren und mich in meinen Rechten als Verteidiger verletzt haben.

2. Die Anstalt wird verpflichtet, künftig das Öffnen des als 'Verteidigerpost' gekennzeichneten Briefwechsels zwischen mir und meinem Mandanten zu unterlassen."

Nachdem der Senat am 08. April 2005 (2 Ws 143/05) aus formellen Gründen eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufgehoben und die Sache (auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen hatte, hat diese mit Beschluss vom 06. Oktober 2005 festgestellt, dass die in der Zeit vom 16. April 2004 bis 06. Mai 2004 erfolgte Öffnung der Briefe des Antragstellers an seinen Mandanten rechtswidrig gewesen sei. Der weitergehende Antrag, künftig das Öffnen seiner Verteidigerpost zu unterlassen, habe sich mit der Entlassung des Mandanten erledigt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich jetzt die Rechtsbeschwerde der Justizvollzugsanstalt Bautzen vom 11. November 2005, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerübt wird.

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Rechtsbeschwerde für begründet.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur geringen Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit die Strafvollstreckungskammer eine Erledigung des (vorbeugenden) Unterlassungsanspruchs des Antragstellers - künftig das Öffnen des als "Verteidigerpost" gekennzeichneten Briefwechsels zu unterlassen - angenommen hat. Soweit man einen vorbeugenden Unterlassungsantrag überhaupt als statthafte Antragsart im Verfahren nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes ansieht (so etwa Schwind/Böhm/Jehle, StVollzG 4. Aufl. Rdnr. 25 zu § 109 m.w.N.), ist ein solcher Antrag jedenfalls nur dann zulässig, wenn nicht auch auf andere Weise effektiver Rechtsschutz erlangt werden kann (Eisenberg/Reuther, JuS 2006, 146, 148 m.w.N.; Schwind/Böhm/Jehle aaO.). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller konnte nämlich - wie von ihm auch getan - entsprechend § 115 Abs. 3 StVollzG einen Fortsetzungsfeststellungsantrag, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Justizvollzugsanstalt durchgeführten Brieföffnungen stellen. Nach ständiger Spruchpraxis des Senats ist ein derartiger Fortsetzungsfeststellungsantrag aufgrund der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nämlich auch ohne vorausgehende Stellung eines Anfechtungsantrages möglich (OLG Hamm NStZ 1983, 240).

Das erforderliche besondere Feststellungsinteresse ergibt sich hier daraus, dass die Justizvollzugsanstalt Bautzen sich für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns auf die Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVollzG beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass sie an ihrer bisherigen Überprüfungspraxis, die sie für rechtmäßig hält, festhalten will.

2. Die Strafvollstreckungskammer hat den Fortsetzungsfeststellungsantrag auch zu Recht als begründet angesehen.

a) Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung ihrer Entscheidung lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.

aa) Die Justizvollzugsanstalt kann sich zur Begründung ihres Vorgehens bei der Überwachung von Verteidigerpost nicht auf Nr. 2. der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVollzG berufen. ...

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