Leitsatz (amtlich)

Zur Führungsaufsicht:

  • 1)

    Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine genaue Abstimmung der zu erteilenden Weisungen auf den konkreten Täter, seine Taten und - damit zusammenhängend - auf die von ihm ausgehende Gefährlichkeit hinsichtlich der Begehung weiterer Straftaten. Nur so ist die mit dem Institut der Führungsaufsicht beabsichtigte Sozialisierungshilfe zu gewährleisten. Die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlaut bei einer Anordnung ohne individuelle Konkretisierung genügt diesen Anforderungen nicht.

  • 2)

    Die Strafvollstreckungskammer hat eine ordnungsgemäße Ermessensausübung bei der Auswahl ihrer Weisungen vorzunehmen und darzulegen; fehlt sie, kann das Beschwerdegericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht prüfen.

  • 3)

    Tätigkeits- und Aufenthaltsverbote im Rahmen des § 68 b StGB dürfen nicht einem generellen Berufsverbot gleichkommen, sofern das erkennende Gericht von der rechtsstaatlichen Möglichkeit des § 70 StGB gerade keinen Gebrauch gemacht hat (Anschluss an Thüringer OLG, Beschluss vom 02.03.2006 - 1 Ws 66/06 -).

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Entscheidung vom 30.01.2008; Aktenzeichen II StVK 17/08)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Leipzig mit dem Sitz in Döbeln vom 30. Januar 2008 in Nr. 4 der Beschlussformel, ausgenommen die Nrn. 4 a) und 4 b), aufgehoben.

    Allerdings wird die Weisung Nr. 4 a) neu gefasst:

    "Der Verurteilte wird angewiesen, sich in den ersten vier Monaten nach seiner Haftentlassung zweimal monatlich, im weiteren einmal monatlich, bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Sozialen Dienst des Landgerichts Telefon: (0 ) zu melden und die Einbestellungen durch seinen Bewährungshelfer termingerecht wahrzunehmen."

  • 2.

    Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

  • 3.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Durchführung des Verfahrens und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

Die ausschließlich gegen die Dauer und inhaltliche Ausgestaltung der Führungsaufsicht gerichtete (einfache) Beschwerde des Verurteilten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang vorläufig Erfolg.

Soweit die Strafvollstreckungskammer vorliegend eine Abhilfeentscheidung unterlassen hat, steht dies der Entscheidung des Senats nicht entgegen, da die Abhilfeentscheidung keine Verfahrensvoraussetzung darstellt (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 306 Rdnr. 10).

Nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann das Rechtsmittel allerdings nur darauf gestützt werden, dass eine Führungsaufsichtsanordnung gesetzeswidrig ist. Dies ist dann der Fall, wenn die getroffene Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, wenn sie unverhältnismäßig oder unzumutbar ist, oder sonst die Grenzen des dem erstinstanzlichen Gericht eingeräumten Ermessens überschreitet (vgl. Fischer in KK-StPO, 5. Aufl. § 453 Rdnr. 13; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 453 Rdnr. 12; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 453 Rdnr. 5, jeweils m.w.N.). Ansonsten verbleibt es bei der Regel, die mit Führungsaufsichtsanordnungen verbundenen Ermessensentscheidungen der ersten Instanz zu überlassen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 2000, 500 m.w.N., dort zu Bewährungsanordnungen).

Die genannte Einschränkung betrifft allerdings nur den Umfang des Prüfungsrechts des Beschwerdesenats, ohne bereits grundsätzlich die Zulässigkeit des Rechtsmittels in Frage zu stellen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Beschwerden gegen Gerichtsbeschlüsse für ihre Zulässigkeit grundsätzlich keiner Begründung bedürfen.

1.

Gemessen hieran ist im vorliegenden Fall die Bestimmung der Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre nicht zu beanstanden. Wenngleich der Beschwerdeführer auf eine "insgesamt durchaus günstige Sozialprognose" verweist, ist es von der Strafvollstreckungskammer nicht rechtsfehlerhaft, von der Ausnahmevorschrift des § 68 c Abs. 1 Satz 2 StGB vorerst keinen Gebrauch zu machen, sondern dies einer späteren Entscheidung nach § 68 d StGB vorzubehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die in § 68 c Abs. 1 Satz 1 StGB vorgegebene Höchstdauer von vornherein verfehlt sei, liegen nicht vor.

2.

Hingegen haben die unter Nr. 4 der Beschlussformel angeordneten Weisungen, ausgenommen die Weisungen Nrn. 4 a) und 4 b), keinen Bestand. Allerdings ist der Senat an einer eigenen Neufassung (§ 309 Abs. 2 StPO) der Anordnungen aus tatsächlichen Gründen gehindert, weshalb es insoweit der Zurückverweisung der Sache an die Straf-vollstreckungskammer bedarf. Der angefochtene Beschluss lässt bereits dem Grunde nach eine Abwägung maßgeblicher Umstände und damit eine Ermessensausübung vermissen; vielmehr erschöpft sich die Begründung der Strafvoll-streckungskammer in der Mitteilung, dass sie "in Übereinstimmung mit dem (- nicht mitgeteilten -) Bericht der Führungsaufsichtsstelle und dem Antrag der Staatsanwaltschaft es für erforderlich (hält)", den Beschwerdeführer "über einen kritischen Zeitraum hinweg zu unterstützen und zu über...

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