Leitsatz (amtlich)

Im Grundbuchverkehr kann die Echtheit des Beglaubigungsvermerks eines als öffentlicher Notar tätig gewordenen Rechtsanwalts aus dem Kanton St. Gallen im Einzelfall auch ohne Apostille als nachgewiesen angesehen werden.

 

Normenkette

GBO § 29 Abs. 1 S. 1; ZPO § 438

 

Verfahrensgang

AG Riesa (Aktenzeichen LA-350-7)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird die Zwischenverfügung des AG Riesa (Grundbuchamt) vom 1.7.2010 aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, die beantragte Umschreibung nicht von der Vorlage einer Apostille abhängig zu machen.

 

Gründe

I. Die erstbeteiligte Gemeinde ließ im notariellen Kaufvertrag vom 19.2.2010 ihr eingangs bezeichnetes, in einem Industriegebiet der Gemeinde belegenes Grundstück an die vollmachtlos vertretene Beteiligte zu 2 auf. Die Erwerberin, eine im Handelsregister des AG Paderborn eingetragene Grundstücksgesellschaft in der Rechtsform einer AG & Co. KG, gehört zu einer bekannten Unternehmensgruppe aus der Schweiz. Eine andere Gesellschaft dieser Gruppe unterhält in der Gemeinde einen großen Produktionsbetrieb. Alleinige Komplementärin der Erwerberin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Niederteufen im schweizerischen Kanton Appenzell Außerrhoden in der Nähe von St. Gallen (Stadt und Kanton). Gesetzlicher Vertreter der Komplementärin ist der in der Schweiz wohnhafte B als einziges und einzelzeichnungsberechtigtes Mitglied des Verwaltungsrates. Dieser genehmigte die am 19.2.2010 für die Zweitbeteiligte abgegebenen Erklärungen schriftlich. Die Echtheit seiner Unterschrift beglaubigte der in St. Gallen ansässige Rechtsanwalt K am 8.3.2010 in der durch Stempelaufdruck bekräftigten Eigenschaft als "öffentlicher Notar".

Den vom deutschen Urkundsnotar im Namen der Erwerberin gestellten Eigentumsumschreibungsantrag zu vollziehen, sieht sich das Grundbuchamt mangels Vorlage einer Apostille zur Beglaubigungserklärung gehindert. Der gegen diese Zwischenverfügung vom 1.7.2010 gerichteten Beschwerde des Notars hat es am 7.10.2010 nicht abgeholfen.

II. Beschwerdeführerin ist bei verständiger Würdigung trotz fehlender Namhaftmachung in der Rechtsmittelschrift allein die Zweitbeteiligte. Denn ausdrücklich nur in deren Namen hatte der gem. § 15 GBO vertretungsbefugte Urkundsnotar den verfahrenseinleitenden Umschreibungsantrag gestellt, zu dessen Durchsetzung nunmehr die Beschwerde dienen soll. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 ist gem. § 71 ff. GBO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das benannte Eintragungshindernis besteht nicht. Die geforderte Apostille ist ausnahmsweise entbehrlich.

1. Im Falle einer Auflassung hat das Grundbuchamt neben einer Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) gem. § 20 GBO auch zu prüfen, ob eine Einigung i.S.d. §§ 873, 925 BGB wirksam erklärt ist. Eine wie hier vollmachtlos beim Notar abgegebene Auflassungserklärung zu genehmigen, ist nach materiellem Recht formfrei möglich, § 182 Abs. 2 BGB. Grundbuchrechtlich bedarf die Genehmigung allerdings als "sonstige zu der Eintragung erforderliche Erklärung" gem. § 29 Abs. 1 S. 1 GBO eines Nachweises durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde. Vorliegend geht es um die zweite Alternative, weil der gesetzliche (End-)Vertreter der Erwerberin die Genehmigung privatschriftlich erklärt hat und lediglich die Echtheit seiner Unterschrift öffentlich beglaubigt worden ist (vgl. § 129 Abs. 1 S. 1 BGB).

2. Der Vermerk des die Unterschrift als echt beglaubigenden "öffentlichen Notars" K stellt seinerseits eine öffentliche Urkunde dar. Sie hat, da von einer allem Anschein nach mit öffentlichem Glauben versehenen Person der Schweiz errichtet, nicht die gem. § 437 Abs. 1 ZPO nur inländischen öffentlichen Urkunden zukommende Echtheitsvermutung für sich. Vielmehr ist die Echtheit gem. § 438 Abs. 1 ZPO, der wie § 437 ZPO auch im Grundbuchverfahren gilt, vom Grundbuchamt nach den Umständen des Falles zu ermessen. Dabei reicht nach § 438 Abs. 2 ZPO eine Legalisation stets aus. Dasselbe gilt für die an ihre Stelle tretende vereinfachte Echtheitsbescheinigung in Form der Apostille nach Art. 3 ff. des Haager Übereinkommens vom 5.10.1961 zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation (Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 21.6.1965, BGBl. II S. 875), welches im Verhältnis zur Schweiz am 11.3.1973 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 8.3.1973, BGBl. II S. 176).

Der deutsch-schweizerische Vertrag über die Beglaubigung öffentlicher Urkunden vom 14.2.1907 (RGBl. S. 411) schafft für den Streitfall keine weitergehende Erleichterung. Er nimmt lediglich die Urkunden von Gerichten und bestimmten hochrangigen Verwaltungsbehörden, sofern mit Siegel oder Stempel des Gerichts bzw. der Behörde versehen, von einer Beglaubigungsnotwendigkeit aus. Die Verwaltungsbehörden, deren Beurkundungen zum Gebrauch im Gebiet des anderen Staates keiner Beglaubigung bedürfen, sind in dem Verzeichnis aufgeführt, das gem. Art. 2 Abs. 2 des Vertrages zuletzt am 11.7.1997 bekannt gemacht worden ist (BGBl. 199...

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