Leitsatz (amtlich)

Der Gerichtsstand der Widerklage nach § 33 ZPO ist auch für die Drittwiderbeklagten und (nur) materiell Beteiligten zu erstrecken. Mit der – über eine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 33 ZPO bewirkten – Konzentration von Klage und Widerklage vor dem Prozessgericht unter gleichzeitiger Einbeziehung aller materiell Beteiligten gelingt es, den Rechtsstreit umfassend und endgültig beizulegen; es wird zum einen eine sinnvolle Verfahrenskonzentration vor einem zuständigen Gericht ermöglicht, zum anderen werden Mehrfachentscheidungen über einen Streitgegenstand oder gegenüber mehreren Beteiligten vermieden.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 9 O 7766/01)

 

Tenor

1. Der Gerichtsstandsbestimmungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

3. Der Wert des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens wird auf 20.000,77 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um anwaltliche Honoraransprüche.

Die Klägerin ist Sozia in der Kanzlei der Widerbeklagten zu 2). Die Kanzlei hatte im Zeitpunkt der Klageerhebung – am 5.11.2001 – ihren Sitz in München, Berlin und Frankfurt; ausweislich des Briefkopfs bestand dieser am 18.1.2002 nur noch in München und Frankfurt, ab dem 4.4.2002 lediglich noch in München.

Bei der Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in Leipzig hat, handelt es sich um einen Prozessfinanzierer. Sie finanzierte Streitigkeiten des Rechtsanwalts S. aus L gegen die BvS und deren Beteiligungsunternehmen; für diese war Rechtsanwalt S. als Abwickler tätig geworden.

Rechtsanwalt S. mandatierte die Widerbeklagte zu 2) mit seiner Vertretung. Die Widerbeklagte zu 2) machte unmittelbar gegenüber der Beklagten ihre Gebühren geltend.

Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Prozessstandschaft für die Sozien der Widerbeklagten zu 2) auf Zahlung von zunächst 69.327,29 Euro vor dem LG Leipzig in Anspruch genommen und ihre Forderung später auf 80.003,07 Euro erweitert.

Die Beklagte hat Widerklage gegen die Klägerin sowie die Widerbeklagten zu 2) bis 8) – die Anwalts-GbR und deren Gesellschafter – i.H.v. 61.355,02 Euro vor dem LG Leipzig erhoben und sich zur Begründung auf bereicherungsrechtliche Ansprüche gestützt; ein Rechtsgrund für die von ihr am 27.4.2001 an die Widerbeklagte zu 2) – ausdrücklich unter Vorbehalt – geleistete Zahlung in der geltend gemachten Höhe sei nicht vorhanden, da ein entsprechender Honoraranspruch in Ermangelung eines Auftrags nicht entstanden sei.

Die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2) bis 8) haben mit Schriftsatz vom 10.1.2002 die örtliche Zuständigkeit des LG Leipzig gerügt; § 33 ZPO gälte nur für die Klägerin, nicht jedoch für die bis dahin nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten, die Widerbeklagten zu 2) bis 8). Die Klägerin und die Widerbeklagten zu 2) bis 6) hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand in München, während dieser für die Widerbeklagte zu 7) in Düsseldorf und den Widerbeklagten zu 8) in Frankfurt/Main läge.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.1.2002 haben die Parteien zur Sache verhandelt und die Anträge gestellt. Nachdem der Klägervertreter erklärt hatte, er halte die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit aufrecht, hat der Beklagtenvertreter beantragt, einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand zu bestimmen.

Mit Beschluss vom 7.3.2002 hat das LG Leipzig die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG Dresden vorgelegt.

II. Eine Gerichtsstandsbestimmung kann nicht erfolgen.

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind nicht gegeben, weil es vorliegend einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand für alle Widerbeklagten am Gericht der Klage, vorliegend beim LG Leipzig, gibt.

1. Obwohl die Klägerin und die Widerbeklagten am 24.1.2002 vor dem LG Leipzig i.S.d. § 137 Abs. 1 ZPO zur Hauptsache mündlich verhandelt haben, ergibt sich die Zuständigkeit des LG Leipzig dabei nicht schon aus § 39 S. 1 ZPO. Denn die Widerbeklagten haben die Zuständigkeit des LG Leipzig zuvor bereits mit Schriftsatz vom 10.1.2002 gem. § 282 Abs. 3 ZPO gerügt, so dass die Wirkung des § 39 ZPO nicht eingetreten ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 39 Rz. 5; Putzina in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 39, Rz. 6; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 39 Rz. 8).

2. Das LG Leipzig ist indessen als besonderer Gerichtsstand der Widerklage nach § 33 ZPO zuständig.

Die Beklagte hat vorliegend eine mit der Klage zusammenhängende „Widerklage” gegen die Klägerin und die am Rechtsstreit bisher nicht beteiligten Dritten, die Widerbeklagten zu 2) bis 8) – oder Drittwiderbeklagten – erhoben. Die Drittwiderbeklagten unterhalten in Leipzig keinen allgemeinen Gerichtsstand, dieser liegt vielmehr in München, Düsseldorf und Frankfurt/Main.

a) Die Rspr. des BGH lässt die konnexe „streitgenössische” Drittwiderklage seit langem unter den Voraussetzungen der als Klageänderung behandelten Parteierweiterung zu (BGHZ 40, 189; BGHZ 56, 75; BGHZ 69, 44; BGHZ 131, 79, m.w.N.), d.h. bei Einwilligung des Drittwide...

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