Leitsatz (amtlich)

Der Anordnung einer Rückführung steht nicht ohne weiteres entgegen, dass der die Rückführung beantragende Elternteil nicht im Herkunftsland (hier: Tschechien), sondern in einem anderen Land (hier: Ägypten) lebt. Ebenso steht der Anordnung einer Rückführung nicht ohne weiteres entgegen, dass der entführende Elternteil im Aufenthaltsstaat von einem neuen Lebenspartner ein Kind erwartet.

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Aktenzeichen 300 F 2527/22 HK)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 18.11.2022 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wird, das Kind L. I., geb. am ...2016, bis zum 02.03.2023 in die Tschechische Republik zurückzuführen; im Übrigen verbleibt es beim Beschluss des Amtsgerichts.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller (nachfolgend: Vater) begehrt von der Antragsgegnerin (nachfolgend: Mutter) die Rückführung der gemeinsamen sechsjährigen Tochter von Deutschland nach Tschechien gemäß dem Haager Übereinkommen vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (im Folgenden: HKÜ).

Der Vater ist ägyptischer Staatsangehöriger, er spricht Arabisch und Englisch. Die Mutter ist tschechische Staatsangehörige, sie spricht Tschechisch und Englisch. Die Eltern heirateten im Jahr 2015 in K. Die gemeinsame Tochter L. wurde am ...2016 in D. (VAE) geboren. Dort lebten die Eltern bis zur Trennung im Februar 2019.

Die Mutter zog im Februar 2019 mit dem knapp dreijährigen Kind nach B. in Tschechien und lebte dort bis März 2022. Der Vater verblieb zunächst in D.

Mit Beschluss vom 06.08.2019 regelte das Stadtgericht Brno auf der Grundlage einer einvernehmlichen Elternvereinbarung den Aufenthalt des Kindes bei der Mutter, den Umgang des Vaters und die Unterhaltszahlungen. Der Vater erhielt das Recht, an zwei Wochentagen jeweils für 10 Minuten online mit dem Kind zu kommunizieren. Darüber hinaus war ein mehrstündiger Umgang alle zwei Monate an sieben aufeinanderfolgenden Tagen ohne Übernachtung vorgesehen. Die Ehe der Eltern wurde im Dezember 2019 in Tschechien geschieden.

Seit Juni 2020 hielt sich der Vater vorübergehend aufgrund von Quarantänemaßnahmen infolge der Corona-Pandemie in Tschechien auf. Hintergrund war unter anderem, dass der Vater bei einer emiratischen Firma angestellt war, die eine Niederlassung in Tschechien hatte. Der Vater beantragte daher im Sommer 2020 beim Stadtgericht Brno unter anderem eine Erweiterung des Umgangs und den Erlass einer gerichtlichen Auflage, wonach das Kind Englisch lernen sollte, um sich mit dem Vater verständigen zu können. Durch Urteil des Stadtgerichts Brno vom 09.02.2021 wurde das Umgangsrecht des Vaters mit dem Kind erweitert. Danach hat der Vater mehrstündigen Umgang alle vier bis fünf Wochen über einen Zeitraum von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Tage mit einer Übernachtung.

Die Großmutter des Kindes mütterlicherseits lebt in Deutschland. Im Umgangsverfahren vor dem Stadtgericht Brno teilte die Mutter im Oktober 2020 dem Gericht noch mit, sie werde auf keinen Fall nach Deutschland ziehen, schon gar nicht, weil die Tochter relativ große Probleme mit der Sprache habe. Ihr Ziel sei es, die Tochter auf die erste Klasse vorzubereiten. Hintergrund war, dass bei L. eine Entwicklungsdysphasie (Sprachentwicklungs- und -erwerbsstörung) und eine spezifische motorische Beeinträchtigung festgestellt worden war. Spätestens zu Beginn des Jahres 2021 trat die Mutter an den Vater heran, um sich dessen Zustimmung zur Übersiedlung nach Deutschland zu holen. Der Vater verweigerte seine Zustimmung insbesondere mit Hinweis auf die verzögerte Sprachentwicklung und mit Hinweis darauf, dass sich das Kind in keiner Sprache richtig verständigen könne.

Der Vater zog im Spätherbst 2021 mit dem Ende seines Arbeitsverhältnisses bei der emiratischen Firma nach K. (Ägypten). Der Vater lebt und wohnt seither dort bei seinen Eltern. Als Grund für den Wechsel nach Ägypten gab der Vater in einem Unterhaltsverfahren vor dem Stadtgericht Brno an, dass er in Tschechien oder in den Nachbarländern keine neue Arbeit gefunden habe. Er wolle eine Arbeit haben, um für sein Kind finanziell sorgen zu können. Nach Tschechien reise er nur wegen des Kindes. Im Jahr 2022 war der Vater jeweils für einige Tage im Februar, Mai und Juni in Tschechien, um den Umgang mit seiner Tochter wahrzunehmen. Der Vater verfügt über einen Aufenthaltstitel für Tschechien, der bis zum Jahr 2026 gilt und der verlängert werden kann.

Die Mutter reichte Mitte März 2022 beim Stadtgericht Brno einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Vaters zur Ausreise und zum Umzug des Kindes nach Deutschland ein. Das entsprechende Verfahren ist noch beim Stadtgericht Brno anhängig, wird aber im Hinblick auf das hiesige Verfahren derzeit nicht vom dortigen Gericht betrieben.

Wenige Ta...

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