Leitsatz (amtlich)

Zur Erreichung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtsanktion ist es zulässig, ein erstinstanzlich als Nebenstrafe (§ 44 StGB) angeordnetes, in der Berufungsinstanz indes aufgrund einer langen Zeitspanne zwischen Tat und Berufungsverhandlung (hier: 31 Monate) als Besinnungsmaßnahme an sich nicht mehr erforderliches Fahrverbot nicht entfallen zu lassen, wenn einer durch Anpassung der Tagessatzhöhe eigentlich erforderlichen Erhöhung der (Geld-)Hauptstrafe das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO entgegensteht.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Entscheidung vom 07.01.2021; Aktenzeichen 11 Ns 151 Js 52896/18 (2))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 07. Januar 2021 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Berufungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Dippoldiswalde hatte den Angeklagten am 09. Mai 2019 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- € verurteilt und ihm daneben für die Dauer von fünf Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Es hatte festgestellt, dass der Angeklagte am 31. Mai 2018 bei einem Ausparkversuch auf einem öffentlich befahrbaren Parkplatz des Baumarktes TOOM in Freital gegen 11.30 Uhr ein in einer gegenüberliegenden Parkbucht abgestelltes Auto beschädigt, an diesem Fahrzeug einen Sachschaden von etwa 1.500,- € verursacht und sich sodann ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen entfernt hatte, obwohl ihm bewusst war, einen möglicherweise nicht unbedeutenden Fremdschaden verursacht zu haben.

In der Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Dresden hat der Angeklagte seine form- und fristgerecht hiergegen eingelegte Berufung nachträglich mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Mit Urteil vom 07. Januar 2021 hat die Berufungskammer sodann unter Verwerfung der Berufung im Übrigen den Rechtsfolgenausspruch insoweit abgeändert, als sie die Dauer des Fahrverbots auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat verkürzte. An einer Erhöhung der Geldstrafe zu Lasten des Angeklagten durch Anpassung der einzelnen Tagessatzhöhe sah es sich - nachdem sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten verbessert hatten - wegen des Verschlechterungsverbots des § 331 StPO gehindert.

Mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte ausschließlich gegen das Fahrverbot. Es habe so lange Zeit nach der abgeurteilten Tat seine Funktion als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme verloren und müsse daher entfallen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat sich dem in Wesentlichen angeschlossen und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

Die den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit erfassende Revision ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang vorläufig begründet.

1. Die Beschränkung der Revision allein auf die Frage des Fahrverbots ist unwirksam. Zwar war und ist gegen die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, weshalb die Berufungskammer zutreffend von dem sie bindenden amtsgerichtlich rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist. Entgegen der Intention des Rechtsmittelführers und der Generalstaatsanwaltschaft aber ist die weitere Einschränkung der Rechtsmittel allein auf das Fahrverbot unzulässig (OLG Hamm, Beschluss vom 25. Mai 2005 - Az.: 2 Ss 207/05 -, juris Rdnr. 9; Anschluss BGH, Beschluss vom 12. Juli 1979, Az.: 4 StR 210/79, = BGHSt 29, 58). Die Revision des Angeklagten erstreckt sich vielmehr auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch und damit auf das Berufungsurteil in seiner Gesamtheit.

Dies folgt aus der Funktion des Fahrverbots nach § 44 StGB als "echte" Nebenstrafe. Es stellt eine repressive Besinnungsstrafe dar, die keine Maßnahme zur präventiven Gefahrenabwehr ist, und steht damit im Rahmen des Gesamtübels in untrennbarer Wechselwirkung mit der Hauptstrafe. Beide Sanktionen verfolgen gemeinsam einen überwiegend identischen Strafzweck, der mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden soll.

2. Der deshalb insgesamt zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellte Rechtsfolgenausspruch des Landgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache allein des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann aber eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind, er gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht meh...

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