Leitsatz (amtlich)

Die Betriebspflicht ist von der Offenhaltungspflicht abzugrenzen. Während die Betriebspflicht dem Mieter die Verpflichtung auferlegt, die angemieteten Geschäftsräume zu einem bestimmten Zweck tatsächlich zu nutzen, regelt die Offenhaltungspflicht, dass er sie zu bestimmten (Uhr-)Zeiten nicht schließen darf.

 

Verfahrensgang

LG Görlitz (Urteil vom 20.03.2015; Aktenzeichen 7 HK O 378/14)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Görlitz, Außenkammern Bautzen, vom 20.3.2015 (7 HK O 378/14) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil des LG Görlitz, Außenkammern Bautzen, vom 20.3.2015 (7 HK O 378/14) wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1 des Tenors (Räumung) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet, und die Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 125.317,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung von Gewerberäumen im Gebäude des XX in Anspruch.

Die Klägerin als Vermieterin und die Beklagte zu 1) als Mieterin schlossen am 2.9.2002 einen von der Klägerin als Formularvertrag gestellten Mietvertrag (Anlage K 1) über Gewerberäume im streitgegenständlichen Objekt zum Betrieb einer Apotheke. Zum Mietvertrag vereinbarten die Klägerin und die Beklagte zu 1) den Nachtrag 1 vom 25.6.2003 (Anlage K 2) und den Nachtrag 2 vom 14.1.2011 (Anlage K 3). Das Mietverhältnis begann am 15.9.2003, wurde für die Zeit von 11 Jahren fest abgeschlossen und verlängerte sich um 5 Jahre, weil keine der Parteien dem binnen 12 Monaten vor Ablauf des Mietverhältnisses widersprach.

Die Beklagte zu 1) überließ die angemieteten Geschäftsräume zunächst durch einen nach Ziffer 14 des Mietvertrages erlaubten Untermietvertrag der Apothekerin B. Diese kündigte am 18.12.2013 den Untermietvertrag zum 30.6.2014 und stellte den Geschäftsbetrieb in den angemieteten Räumen zum 21.6.2014 ein. Wegen des Nichtbetriebs einer Apotheke in den angemieteten Räumen mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 15.7.2014 (Anlage K 6) ab und setzte eine Frist zur Aufnahme des Betriebes einer Apotheke bis zum 28.7.2014. Mit Schreiben vom 1.8.2014 (Anlage K 7) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Verstoßes gegen die Betriebspflicht außerordentlich und fristlos. Eine weitere außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus dem selben Grunde erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 13.8.2014 (Anlage K 9), welches der Beklagten zu 1) am 14.8.2014 zugestellt wurde. Die Beklagte zu 1) widersprach der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.8.2014 (Anlage K 8) unter Hinweis darauf, dass eine Betriebspflicht zu Lasten der Beklagten zu 1) nicht wirksam vereinbart worden sei und es deshalb an einem Kündigungsgrund fehle. Eine weitere außerordentliche und fristlose Kündigung erklärte die Klägerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.11.2014 auf S. 12 (Bl. 56 dA). Seit dem 1.12.2014 betreibt der Beklagte zu 2), ein Apotheker, als Untermieter der Beklagten zu 1) eine Apotheke in den streitgegenständlichen Geschäftsräumen.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Geschäftsräume, weil sie den ursprünglich mit der Beklagten zu 1) begründeten Mietvertrag durch ihre außerordentlichen und fristlosen Kündigungen wirksam beendet habe. Die Verpflichtung der Beklagten zu 1), in den angemieteten Räumen eine Apotheke zu betreiben, sei wirksam vereinbart worden. Durch den Nichtbetrieb der Apotheke ab dem 22.6.2014 habe die Beklagte zu 1) gegen ihre vertragliche Pflicht verstoßen und dadurch einen Grund für die außerordentlichen und fristlosen Kündigungen geschaffen. Die Kündigungen seien nach Bestimmung einer angemessenen Abhilfefrist im Schreiben vom 15.7.2014 wirksam erklärt worden, und die Klägerin müsse sich nicht den Einwand der Treuwidrigkeit bzw. des Rechtsmissbrauches entgegenhalten lassen.

Die Beklagten haben vorgetragen, die Kündigungen seien mangels eines Kündigungsgrundes nicht wirksam geworden, denn die Beklagte zu 1) habe keiner Betriebspflicht unterlegen, weil die entsprechende formularvertragliche Regelung einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Jedenfalls sei eine bestehende Betriebspflicht unverschuldet nicht eingehalten worden, weil die Beklagte zu 1) alles ihr Mögliche unternommen habe, um nach dem Ausscheiden der ersten Untermieterin einen neuen Untermieter zu gewinnen. Schließlich müsse sich die Klägerin die Treuwidrigkeit und den ...

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