Leitsatz (amtlich)

›Die bei einer fristwahrend eingelegten Berufung vor Erhalt der Berufungsbegründung durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts ausgelösten Kosten sind nicht notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO und vom Prozeßgegner nicht zu erstatten.‹

 

Gründe

I.

Im Erkenntnisverfahren begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 71.105,58 DM wegen einer aus einem Kaufvertrag über eine ehemalige HO-Gaststätte herrührenden Zinsforderung.

Die Klage wurde durch Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 28.05.1997 abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 27.11.1997 legten die Beklagten hiergegen Berufung ein, die sie mit Schreiben vom 18.12.1997 zurücknahmen.

Durch Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15.01.1998 wurden den Beklagten die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt.

Durch Schriftsatz vom 27.01.1998 beantragte die Klägerin, gegen die Beklagten Kosten in Höhe von insgesamt 1.287,25 DM für die zweite Instanz festzusetzen.

Im Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Chemnitz für die zweite Instanz vom 11.03.1998 wurden diese Kosten antragsgemäß festgesetzt.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß wurde den Beklagten am 26.03.1998 zugestellt.

Am 06.04.1998 ging die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß bei Gericht ein. Die Beklagten ließen vortragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe den Rechtsanwälten der Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass die Berufung lediglich fristwahrend eingelegt worden sei. Die Prozeßbevollmächtigten der Gegenseite seien gebeten worden, sich nicht zu bestellen, da die Berufungseinlegung lediglich wegen des Verstreichens der Frist des § 516 ZPO erfolgt sei. Rechtsanwältin K habe ihr Einverständnis hiermit erklärt. Die Beklagten sind der Auffassung, im Hinblick auf die fristwahrend eingelegte Berufung stehe der Klägerin die festgesetzte Prozeßgebühr nicht zu.

Die Klägerin bestätigte mit Schriftsatz vom 04.05.1998 die vorerwähnte Absprache, sie ist indes der Ansicht, dass ihr die festgesetzte 13/20-Prozeßgebühr zu erstatten sei.

Durch Verfügung vom 13.05.1998 der Kostenbeamtin bzw. Beschluß vom 15.06.1998 der 4. Zivilkammer half das Landgericht Chemnitz der Erinnerung nicht ab und legte die Akte dem Oberlandesgericht Dresden zur Entscheidung vor.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist gemäß § 104 Abs. 3 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere wurde die zweiwöchige Notfrist des § 11 Abs. 1 Satz 2 RPflG, § 577 Abs. 2 ZPO gewahrt.

Das Rechtsmittel, das infolge der Nichtabhilfe durch das Landgericht und Vorlage an das Rechtsmittelgericht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 RPflG als sofortige Beschwerde gilt, hat auch in der Sache Erfolg. Die Festsetzung von 1.287,25 DM zugunsten der Klägerin geschah unzutreffend. Der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Chemnitz für die zweite Instanz vom 11.03.1998 war daher aufzuheben, das Kostenfestsetzungsgesuch der Klägerin vom 27.01.1998 zurückzuweisen.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die von den Beklagten eingelegte Berufung fristwahrenden Charakter hatte. Dementsprechend hat die Klägerin schon nicht die volle Prozeßgebühr, sondern lediglich eine 13/20-Prozeßgebühr geltend gemacht.

Diese könnte ihr gemäß § 32, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO für die durch die Beratung mit ihrem Rechtsanwalt angefallenen Kosten zustehen, sofern man der Auffassung folgte, dass eine Partei bereits durch die Tatsache der Rechtsmitteleinlegung trotz des fristwahrenden Charakters der Berufung berechtigt ist, einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Diese Frage ist in der Rechtsprechung heftig umstritten (vgl. z. B. die Nachweise bei Stein/Jonas, ZPO, § 91 Rdn. 46).

2. Der Senat hat sich in mehreren Entscheidungen derjenigen Auffassung angeschlossen, die bei einer fristwahrend eingelegten Berufung die Beauftragung eines Rechtsanwalts vor Erhalt der Berufungsbegründung für vorschnell, die hierdurch ausgelösten außergerichtlichen Kosten daher für nicht erforderlich und nicht erstattungsfähig ansieht (vgl. neben dem bereits von den Beklagten zitierten Beschluß vom 30.09.1997, Az.: 15 W 1072/97 aus neuerer Zeit z. B. den Beschluß vom 03.06.1998, Az.: 15 W 339/98).

Entscheidender Gesichtspunkt für die vom Senat vertretene Auffassung ist die Pflicht einer jeden Partei, die Kosten des Verfahrens möglichst gering zu halten (BVerfG NJW 1990, 3073; OLG Düsseldorf Rpfleger 1994, 39; OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 89; OLG Hamm AnwBl. 1993, 532; OLG Zweibrücken Rpfleger 1993, 41; Senatsbeschluß vom 09.02.1998, Az.: 15 W 97/98 = OLG-Report 1998, 131). Demnach sind Kosten, die durch vorschnelle, nicht zur Abwendung drohender Nachteile erforderliche Handlungen einer Partei entstehen, dieser nicht erstattungsfähig.

Wenn der Berufungskläger - wie vorliegend - für den Berufungsbeklagten erkennbar die Berufung nur zur Fristwahrung einlegt, ist es dem Berufungsbeklagten ohne weiteres zuzumuten, mit der Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten für die zweite Instanz bis zum Erhalt der Berufungsbegründung zuzuwarten. Erst durch die Berufungsbegründung is...

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