Leitsatz (amtlich)

1. Zur beschwerderechtlichen Behandlung einer Ausgangsentscheidung, die die Selbständigkeit der Verfahren gem. § 4 Abs. 1 JVEG und § 66 Abs. 1 GKG verkennt.

2. Über die Beschwerde des Sachverständigen gegen die Vergütungsfestsetzungsentscheidung des Vorsitzenden einer Kammer für Handelssachen entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG der Einzelrichter (entgegen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.1.2007 - 3 Ws 57/06, juris für Festsetzung durch Vorsitzenden der kleinen Strafkammer).

3. Übersteigt die zu Beginn abgegebene eigene Schätzung der Begutachtungskosten den vom Gericht veranschlagten und vorschussweise eingeholten Betrag um ein Vielfaches, darf der Sachverständige nicht ohne weiteres von einer Auftragsdurchführung ausgehen. Vielmehr muss er mit einer vorzeitigen Beendigung rechnen, sei es wegen einer unter dem Eindruck der außergewöhnlich hohen Gutachterkosten zustande kommenden gütlichen Einigung der Parteien, sei es, weil die beweisbelastete Partei den im Raum stehenden Betrag nicht vorschussweise zahlen kann oder will. Da der Sachverständige nach § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG nur die "erforderliche Zeit" vergütet erhält, kann er im Einzelfall gehalten sein, die weitere Entscheidung des Gerichtes abzuwarten und sich (weiterer) kostenauslösender Begutachtungstätigkeiten zunächst ganz zu enthalten oder doch auf ein Minimum zu beschränken.

 

Normenkette

JVEG § 4 Abs. 7 S. 1, § 8 Abs. 2 S. 1; GKG § 66 Abs. 6 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Beschluss vom 14.07.2009; Aktenzeichen 1 HKO 11/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Zwickau vom 14.7.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Mit der im Tenor bezeichneten Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, hat das LG unter Ziff. I beschlossen:

"Auf die Erinnerung der Klägerin vom 9.10.2008 wird der Kostenansatz des LG vom 12.8.2008, basierend auf der Rechnung des Sachverständigen vom 31.7.2008, dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Sachverständigen ... auf 1.698,73 EUR statt 4.025,18 EUR festgesetzt werden."

Dagegen richtet sich die vom Beteiligten zu 1, dem Sachverständigen, am 29.7.2009 eingelegte und mit Schreiben vom 28.9.2009 begründete Beschwerde. Das LG hat dem Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um eine gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde, über die der Einzelrichter zu befinden hat.

a) Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren gegen Gerichtskostenansätze (§ 66 GKG) einerseits und Festsetzungsverfahren samt Rechtsmitteln gem. § 4 JVEG andererseits stehen selbständig nebeneinander und sind im Grundsatz getrennt zu führen.

Das hat in der Praxis vielfältige missliche Konsequenzen, denen freilich nur der Gesetzgeber ein Ende bereiten könnte. So sind die Parteien eines Zivilprozesses nicht Beteiligte des Festsetzungsverfahrens gem. § 4 JVEG, müssen dementsprechend nicht angehört werden und können nicht in zulässiger Weise Rechtsmittel einlegen. Ihr fehlendes Beteiligungsrecht wird dadurch kompensiert, dass in diesem Verfahren getroffene Entscheidungen nicht zu Lasten des Kostenschuldners wirken, § 4 Abs. 9 JVEG. Umgekehrt ist der vom Gericht hinzugezogene Zeuge oder Sachverständige im Verfahren nach § 66 GKG kein Beteiligter und auch nicht beschwerdeberechtigt. Ihn hat entschädigungs- bzw. vergütungsrechtlich allein sein eigenes, durch das JVEG abschließend geregelte Verhältnis zur Staatskasse zu interessieren. Durch dieses Nebeneinander der beiden Verfahren kann es dazu kommen, dass eine mit überhöhten Sachverständigenkosten begründete Kostenansatzerinnerung oder -beschwerde einer Partei in deren Verhältnis zur Staatskasse Erfolg hat, während der Sachverständige in einem parallel geführten Verfahren gem. § 4 JVEG die Vergütung zum Nachteil der Staatskasse in vollem Umfang er- oder behält. Die damit verbundenen Gefahren für den Fiskus vermag das in beiden Verfahren der Staatskasse eröffnete Beschwerderecht zwar meist, aber wohl nicht ausnahmslos zu verhindern. Der umgekehrte Fall, dass die Staatskasse grundlos und dauerhaft "Mehreinnahmen" behält, ist hingegen nur theoretisch denkbar und wird in der Praxis nicht vorkommen.

b) Dieses Trennungsprinzip hat das LG nicht berücksichtigt und ist scheinbar zu einer Erinnerungsentscheidung oder zu einer Art "Mischentscheidung" gelangt. Einerseits hat es "auf die Erinnerung der Klägerin" einen "Kostenansatz des LG. abgeändert" und in den Gründen von einer gem. § 66 GKG statthaften Erinnerung gesprochen. Andererseits hat es im weiteren Teil seines Entscheidungsausspruchs "die Kosten des Sachverständigen ... auf 1.698,73 EUR... festgesetzt".

c) Trotz der fehlerhaften Einordnung ist der angegriffene Beschluss letztlich nicht (auch) als Erinnerungsentscheidung gem. § 66 Abs. 1 S. 1 GKG, sondern ausschließlich als Festsetzung i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG anzusehen.

Dafür spricht der offensichtliche, im letzten Teil von Ziff. I des Tenors sow...

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