Leitsatz (amtlich)

Gegen eine Unterhaltsforderung ist eine Aufrechnung nicht zulässig. Das gilt auch dann, wenn die Unterhaltsforderung auf einen Dritten gesetzlich übergegangen ist und dem Unterhaltsschuldner seinerseits eine Forderung gegen den ursprünglichen Unterhaltsgläubiger zusteht. In diesem Fall scheitert die Aufrechnung zwar nicht an der Unpfändbarkeit der Unterhaltsforderung; der Aufrechnung steht jedoch der Einwand fehlender Gegenseitigkeit entgegen.

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Entscheidung vom 02.09.2010; Aktenzeichen 338 F 1219/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.05.2013; Aktenzeichen XII ZB 192/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Leipzig vom 03.09.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 EUR oder Hinterlegung in gleicher Höhe abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 11.678,01 EUR.

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist der Vater der am ......2007 nicht ehelich geborenen S... R....... Er lebt mit Mutter und Kind nicht zusammen. Für das Kind leistet er Kindesunterhalt. Betreuungsunterhalt für die Mutter hat er nicht geleistet. Die Mutter, die vom Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt Betreuungsunterhalt verlangte, hat Leistungen nach dem SGB II - auch für das Kind - von der Antragstellerin erhalten. Diese macht gegenüber dem Antragsgegner die auf sie gemäß § 33 Abs. 1 SGB II übergegangenen Ansprüche auf Betreuungsunterhalt geltend.

Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners steht nicht im Streit. Der Antragsgegner hat jedoch gegenüber der Antragstellerin die Aufrechnung mit einer gegenüber der Mutter bestehenden Darlehensforderung erklärt. Das Bestehen der Darlehensforderung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner zur Zahlung des rückständigen Betreuungsunterhalts verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, dass die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung gemäß § 394 BGB in Verbindung mit § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ausgeschlossen sei. Die Unterhaltsforderung sei auch nach dem gesetzlichen Forderungsübergang auf die Antragstellerin unpfändbar.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der vorliegenden Beschwerde. Er macht geltend, dass die Antragstellerin des Pfändungsschutzes nicht bedürfe. Das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB schütze ausschließlich den Gläubiger, nicht jedoch die Allgemeinheit. Die Entlastung der Sozialhilfesysteme sei nicht Zweck des § 394 BGB. Es sei auch nicht zutreffend, dass dem Antragsgegner im Falle der Aufrechnung ein ungerechtfertigter Vorteil zufließen würde. Durch das Erlöschen der zur Aufrechnung gestellten Darlehensforderung einerseits und der gegen ihn gerichteten Unterhaltsforderung andererseits erfahre sein Vermögen keine Veränderung. Schließlich hätte es dem Gesetzgeber oblegen, wenn er ein Aufrechnungsverbot im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs beabsichtigt hätte, die Überleitungsnorm entsprechend auszugestalten.

Der Antragsgegner beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 03.09.2010 den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hin, wonach das Aufrechnungsverbot jedenfalls dann bestehen bleibe, wenn die Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers lediglich subsidiär gegenüber der Verpflichtung des Dritten war.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner im Ergebnis zu Recht verurteilt, an die Antragstellerin übergeleiteten Trennungsunterhalt zu zahlen.

Die streitgegenständliche Forderung ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Streit besteht allein über die Frage, ob der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die Aufrechnung mit einer unstreitigen Darlehensforderung gegenüber der ursprünglichen Forderungsinhaberin erklären kann. Diese Frage ist zu verneinen.

Allerdings schließt sich der Senat nicht der Auffassung des Familiengerichts an, wonach die Aufrechnung vorliegend an § 394 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO scheitere. Zwar ist der Betreuungsunterhaltsanspruch einer Mutter nach § 1615 l BGB gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der Regel unpfändbar, was nach § 394 BGB zum Verbot der Aufrechnung führt. Zu Recht weist jedoch der Antragsgegner darauf hin, dass diese Schutzvorschriften dem Unterhaltsberechtigten dienen, um diesem eine sichere Lebensgrundlage zu verschaffen. Dieser besondere Schutz is...

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