Leitsatz (amtlich)

1. Dass ein anderer Spruchkörper innerhalb eines zuständigen Gerichts nach dessen Geschäftsverteilungsplan hätte entscheiden müssen, kann mit der Berufung grundsätzlich nicht mehr gerügt werden. Fehler bei der Anwendung des Geschäftsverteilungsplanes greifen nur dann in das Prozessgrundrecht auf den gesetzlichen Richter ein, wenn sie auf Willkür beruhen, d.h. eine Zuständigkeitsentscheidung objektiv nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist. Ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ist hiernach nicht anzunehmen, wenn eine Entscheidung zur Zuständigkeit zumindest vertretbar erscheint oder dem betreffenden Gericht ein "schlichter Verfahrensirrtum" unterlaufen ist.

2. Auch juristische Personen des Privatrechts genießen Ehrenschutz und können sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes berufen, soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenkreis betroffen ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 09 O 2588/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 20.10.2021 - 9 O 2588/20 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. im Hinweisbeschuss des Senates vom 19.04.2022 Bezug genommen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 20.10.2021, Az.: 09 O 2588/20, sowie die einstweilige Verfügung vom 13.11.2020 werden aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12.11.2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen.

Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

1. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zur Unterlassung der Äußerungen verpflichtet gem. §§ 823, 1004 BGB, §§ 935 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senates in seinem Hinweisbeschluss vom 19.04.2022 unter Ziffer II. Bezug genommen.

Das Vorbringen des Beklagten rechtfertigt keine andere Entscheidung.

a) Die Entscheidung des Landgerichtes ist nicht allein deshalb aufzuheben, weil ein unzuständiger Spruchkörper entschieden hat. Wie bereits ausgeführt, kann eine Berufung nach § 513 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Norm ist entsprechend auf die Zuständigkeit des Spruchkörpers innerhalb eines Gerichtes nach dessen Geschäftsverteilungsplanes anzuwenden (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 20.02.2019 - 1 U 50/18 - juris). Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der entscheidende Richter die Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 GG nicht grundlegend verkannt und auch maßgebliche Verfahrensnormen nicht in objektiv willkürlicher Weise fehlerhaft angewandt. Der entscheidende Richter hat in den Urteilsgründen ausgeführt, dass ihm das Verfahren in der 9. Zivilkammer versehentlich vorgelegt worden sei und er ohne nähere Prüfung die Sache bearbeitet habe. Dies ist anhand der Aktenlage auch plausibel, denn der Verfügungsantrag ging am 12.11.2020 beim Landgericht ein und die einstweilige Verfügung wurde schon am 13.11.2020 erlassen. Der Umstand, dass der entscheidende Richter auch auf den Widerspruch hin die Sache nicht an die zuständige 8. Zivilkammer des Landgerichtes Leipzig abgegeben hat, lässt ebenso wenig auf Willkür schließen, denn auch hier ist ersichtlich, dass der entscheidende Landrichter das Verfahren zügig betrieben hat. Der Widerspruch - in dem die Unzuständigkeit des Spruchkörpers nicht gerügt worden ist - ist am 25.11.2020 um 18.01 Uhr beim Landgericht Leipzig eingegangen und es wurde mit Verfügung vom 26.11.2020 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Dass sich der entscheidende Richter bei Erlass der einstweiligen Verfügung und im Rahmen der Terminierung mit der Frage seiner eigenen Zuständigkeit nicht befasst hat, lässt den Schluss auf eine willkürliche Entscheidung nicht zu.

Die von dem Beklagten zitierten Entscheidungen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Wie bereits ausgeführt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 18.02.2020 (1 BvR 1750/19 Rn. 11) angenommen, dass für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG nicht schon jede irrtümliche Überschreitung der den Fachgerichten gezogenen Grenzen genügt und durch einen schlichten error in proceden...

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