Leitsatz (amtlich)

1. Der Auffassung, dass der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem Hintergrund des Regelungsplans des Gesetzgebers teleologisch zu reduzieren sei, weil gemessen an der objektiv feststellbaren Regelungsabsicht eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliege, die in der Weise zu lösen sei, dass Passivgeschäfte der Kreditinstitute, jedenfalls derjenige der Bausparkassen von der Anwendbarkeit auszunehmen seien, vermag der Senat sich nicht anzuschließen.

2. Eine Kündigung, die ausdrücklich nur auf die Vorschrift des § 488 Abs. 3 BGB gestützt worden ist, kann in eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB umgedeutet werden, wenn bei Kündigung die Voraussetzungen von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB bereits vorlagen. Auch einseitige Rechtsgeschäfte in Form einer Kündigung sind der Umdeutung (§ 140 BGB) zugänglich.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 07.12.2015; Aktenzeichen 14 O 151/15)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.12.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag Nr... 01 über den 3.8.2015 hinaus bis zum 3.11.2015 fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein bei der beklagten Bausparkasse geführter Bausparvertrag fortbestehe. Die Parteien schlossen unter dem 18.7.1997 zur Vertragsnummer 5 930 516 G 01 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 20.000,00 DM (= 10.225,84 EUR) im Tarif X (Anlage K 1). Der Bausparvertrag erhielt später die Nummer ... 01.

Dem Bausparvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif Tarif X (ABB-Tarif X) zugrunde. Nach der Präambel des ABB-Tarif X ist Bausparen zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist. Das Bausparguthaben ist nach § 3 Abs. 1 ABB-Tarif X mit einem Basiszins in Höhe von 2 % p.a. zu verzinsen. Verzichtet der Bausparer bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABB-Tarif X unter den dort genannten Voraussetzungen rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 3 %, 4 % oder 5 % p.a. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 ABB-Tarif X wird die Gesamtverzinsung auch bei einer Kündigung nach 7 Jahren und einem Guthaben von 7.000,- DM gewährt. In § 14 ABB- Tarif X ist ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Bausparers hinsichtlich des Bausparvertrages vorgesehen. Ein Kündigungsrecht der Bausparkasse ist in den ABB-Tarif X nicht ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen für die Zuteilung des Bausparvertrages sind in § 4 ABB-Tarif X geregelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ABB-Tarif X Bezug genommen (Anlage K 2).

Die Zuteilungsreife des Bausparvertrages trat am 1.3.2004 ein. Dieses teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18.12.2003 mit (Anlage B 1). Die Klägerin nahm die Zuteilung nicht an und erbrachte bis 30.6.2015 weiterhin Sparleistungen. Mit Schreiben vom 23.4.2015 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag gem. § 488 Abs. 3 BGB mit einer Frist von drei Monaten zum 3.8.2015 bei einem angesparten Bausparguthaben in Höhe von 8.995,40 EUR zzgl. Bonuszinsen in Höhe von 3.691,47 EUR (Anlage B4).

Die Klägerin widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 27.4.2015 (Anlage K 4). Die Beklagte hielt an ihrer Kündigung mit Schreiben vom 6.5.2015 fest und rechnete mit Schreiben vom 27.7.2015 (Anlage B 5) das Guthaben in Höhe von 13.279,89 EUR ab.

Die Parteien haben erstinstanzlich darüber gestritten, ob der Beklagten ein Recht zur Kündigung des Bausparvertrages zugestanden habe und der Vertrag durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden ist.

Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Hannover vom 7.12.2015 (Bl. 52 d.A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und der gestellten Anträge im Tatbestand, Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, der Bausparvertrag sei durch die auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB erfolgten Kündigung der Beklagten beendet worden. § 488 Abs. 3 BGB sei auch in der Sparphase eines Bausparvertrages als Darlehensvertrag mit "vertauschten...

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