Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit von Auswärtsbeurkundungen in den Räumlichkeiten einer Vertragspartei

 

Leitsatz (amtlich)

Wiederholte Auswärtsbeurkundungen von Grundstückskaufverträgen in den Räumlichkeiten einer Vertragspartei können die Gefahr des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit des Notars begründen.

 

Normenkette

BNotO § 14 Abs. 3 S. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine ihm mit Disziplinarverfügung des Beklagten auferlegte Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR.

1. Der seit 1992 als Rechtsanwalt zugelassene Kläger ist seit 2010 Notar mit Amtssitz in L. Disziplinarrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

2. Der hier streitgegenständlichen Disziplinarverfügung liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

Der Notar hat in verschiedenen Fällen Grundstückskaufverträge in Räumlichkeiten von Gebietskörperschaften beurkundet, bei denen die Gebietskörperschaft oder eine mit ihr verbundene Körperschaft Vertragspartei war.

Er hat in 13 Fällen in Räumlichkeiten der Gemeinde R. Grundstückskaufverträge mit dieser Gemeinde beurkundet, nämlich

am 12. April 2012 zu den UR-Nrn. ...3 bis ...9/12,

am 26. April 2012 zu den UR-Nrn. ...0 bis ...2/12 und

am 8. Mai 2012 zu den UR-Nrn. ...8 bis ...0a/12.

Weiter hat er in sechs Fällen in den Räumlichkeiten der Samtgemeinde R. Grundstückskaufverträge mit der Gemeinde K. beurkundet, die Mitglied der Samtgemeinde R. ist, nämlich

am 25. Oktober 2012 zu den UR-Nrn. ...2a bis ...4/12 und

am 28. Februar 2013 zu den UR-Nrn. ...7 bis ...9/13.

Schließlich hat er in sechs Fällen in den Räumlichkeiten der Gemeinde A. Grundstückskaufverträge mit dieser Gemeinde beurkundet, nämlich

am 2. April 2013 zu den UR-Nrn. ...9a und ...0/13,

am 4. November 2013 zu den UR-Nrn. ...9b und ...0a/13,

am 3. Februar 2014 zu der UR-Nr. ...8/14 und

am 29. Dezember 2014 zu der UR-Nr. ...3/14.

Der Beklagte hatte die angefochtene Disziplinarverfügung ursprünglich auf drei weitere Beurkundungsfälle gestützt, die im Widerspruchsbescheid jedoch ausgeschieden wurden.

3. Unter anderem aufgrund der vorstehenden Sachverhalte leitete der Beklagte mit Verfügung vom 29. März 2017 im Nachgang zu einer turnusmäßigen Prüfung des Notariats vom 9. Juni 2016 ein Disziplinarverfahren gemäß § 17 BDG i. V. m. § 96 BNotO gegen den Kläger ein.

Der Kläger hat die dem Disziplinarverfahren zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände zwar nicht in Zweifel gezogen, sein Verhalten aber selbst nicht als pflichtwidrig gewertet. Die Auswärtsbeurkundungen seien für die Urkundsbeteiligten vorteilhaft, weil ihnen die Fahrt zur Geschäftsstelle des Notars erspart bliebe; überwiegend wohnten sie im Gemeindebereich. Es sei nicht der Eindruck entstanden, er stehe im "Lager" der jeweiligen Gebietskörperschaft, zumal er mit vielen Urkundsbeteiligten auch persönlich bekannt gewesen sei. Teilweise hätten diese im Anschluss auch Grundschulden von ihm beurkunden lassen, was zeige, dass sie sein Verhalten nicht als problematisch empfunden hätten. Kaufverträge mit Gebietskörperschaften seien zudem nicht nur in deren Räumlichkeiten, sondern überwiegend auf seiner Geschäftsstelle beurkundet worden.

Mit der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 1. August 2017 hat der Beklagte dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung seiner Amtspflichten eine Geldbuße in Höhe von 1.500 EUR auferlegt. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, der Kläger habe durch die Beurkundungen von Kaufverträgen in Räumlichkeiten von Gebietskörperschaften, die entweder unmittelbar oder deren Mitglied an den jeweiligen Kaufverträgen beteiligt waren, fahrlässig gegen die sich aus § 14 Abs. 3 S. 2 BNotO ergebende Amtspflicht verstoßen, den Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden.

Bei der konkreten Bestimmung der zu erlassenen Disziplinarmaßnahme hat der Beklagte berücksichtigt, dass der Kläger disziplinarrechtlich zuvor nicht in Erscheinung getreten ist. Aufgrund der Auswärtsbeurkundungen habe der Notar Kostenrechnungen in Höhe von insgesamt rund 12.400 EUR netto gestellt. Die Geldbuße diene dazu, die durch die pflichtwidrige Amtstätigkeit erzielten Einkünfte abzuschöpfen.

Gegen die ihm am 3. August 2017 zugestellte Disziplinarverfügung hat der Kläger am 4. September 2017 Widerspruch eingelegt und diesen unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung begründet.

Der Präsident des Oberlandesgerichts Celle hat mit Bescheid vom 7. Februar 2017 die Disziplinarverfügung insoweit abgeändert, dass Vorwürfe betreffend drei Beurkunden ausgeschieden wurden, weil dort nur einseitige Beurkundungen erfolgt seien bzw. die entsprechende Gebietskörperscha...

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