Normenkette

ARB 1975 § 1 Abs. 1 S. 1, §§ 14, 17

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 10 O 3947/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen IV ZR 139/01)

BGH (Urteil vom 24.09.2002; Aktenzeichen KZR 34/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.6.2000 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Hannover geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag der Parteien – Versicherungsschein-Nr. … – Versicherungsschutz zu gewähren, und zwar für den vor dem LG Arnsberg zu führenden Prozess gegen die …, …, …, wegen Schadensersatzes und Feststellung aus Anlass der kardiovasculären Erkrankung des Klägers, insb. des Herzinfarkts im März 1993 und der Myocardrevascularisation im März 1999.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 4.500 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Den Parteien wird nachgelassen, eine zur Ermöglichung oder Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheit auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder Bank, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, zu leisten.

Die Beschwer der Beklagten beträgt „bis zu 12.000 DM”.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beabsichtigt, den Zigarettenproduzenten … wegen der Erkrankung seines kardiovasculären Systems auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, und begehrt für die Klage Deckungsschutz von der Beklagten, bei der er seit 1.12.1983 unter Geltung der ARB 75 rechtsschutzversichert ist.

Der Kläger raucht seit 1964 ausschließlich Zigaretten der Marke „…”, die von der Firma … hergestellt werden. Seit 1975 hat er mehrfach versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Bis 1983 hat sein täglicher Zigarettenkonsum ca. 40 Zigaretten betragen, seitdem ca. 20 bis 30 Zigaretten pro Tag. 1993 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. In der Folgezeit musste er sich mehreren operativen Eingriffen unterziehen, u.a. im Jahr 1999 einer Bypass-Operation.

Der Kläger beabsichtigt, die Klage gegen die Firma … in erster Linie auf zwei Gesichtspunkte zu stützen: Obwohl die Tabakindustrie durch Ergebnisse von Forschern des … in den USA aus dem Jahr 1983 wisse, dass sich beim Rauchen der suchterregende Wirkstoff Acetaldehyd freisetze, habe die Fa. … auf ihren Produkten keinerlei Warnhinweise veröffentlicht. Außerdem habe sie seit 1984 Ammoniak unter den von ihr verwendeten Tabak gemischt, wodurch die Zigaretten- und Nikotinabhängigkeit im Sinne einer medizinisch therapiepflichtigen Sucht erzeugt worden sei.

Mit Schreiben vom 2.8.1999 hat die Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass sie die Kosten des beabsichtigten Prozesses gegen die Firma … nicht übernehmen könnte. Sie hat sich hierbei auf „Vorvertraglichkeit” nach § 14 ARB 75 berufen und i.Ü. ausgeführt: „Darüber hinaus bestehen hier einige Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Klage.”

Nach weiterem Schriftverkehr hat die Beklagte mit Schreiben vom 10.9.1999 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers nochmals die Ablehnung ihrer Eintrittspflicht bekräftigt. Sie hat hierbei wiederum darauf hingewiesen, dass der Versicherungsfall nach ihrer Auffassung vor Beginn des Rechtsschutzversicherungsvertrages eingetreten sei. Bezüglich der Erfolgsaussichten hat sie Folgendes ausgeführt:

„In diesem Zusammenhang dürfen wir auch unsere Zweifel zu den Erfolgsaussichten noch einmal hervorheben.

Nach eigenem Vortrag hat unserer Versicherungsnehmer bereits 1975 versucht, sich das Rauchen abzugewöhnen, also bereits Kenntnis von der Sucht gehabt.

In den ärztlichen Untersuchungen sind als Ursachen der Erkrankung auch mehrere Risikofaktoren, die letztlich die Erkrankung herbeigeführt haben, genannt; u. E. kann insoweit der Beweis auch nicht erbracht werden, dass durch das Rauchen, dessen Abgewöhnung auch unter ärztlicher Kontrolle wohl nicht gelungen war, die Erkrankungen herbeigeführt wurden.

Ob insoweit eine Beweislast-Umkehr eintritt, wollen wir jedoch, ebenso wie die abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten, offenlassen.

Aufgrund Vorvertraglichkeit, …, besteht unsere Eintrittspflicht nicht.”

In der Klagschrift hat der seinerzeitige Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, er führe, soweit die Beklagte Zweifel zu den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage gegen die Firma … geäußert habe, den Stichentscheid nach § 17 Abs. 2 ARB 75 herbei.

Der Kläger hat vorgetragen, seit 1989/90 sei es bei ihm zu Anzeichen kardiovasculärer Erkrankungen gekommen. Er bestreite, dass er vor dem Jahr 1984 nikotinsüchtig gewesen sei, jedenfalls im Sinne der Suchtdefinition der Weltgesundheitsorganisation. Zu seinem Herzinfarkt wäre es nicht gekommen, wenn er das Rauchen nach 1983 bis 1989 beendet hätt...

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