Leitsatz (amtlich)

Entspricht ein Spielgerät (Innenlauftrommel), das in einem Freizeitpark aufgestellt ist, seiner Konstruktion nach – wie von einer Zertifizierungsstelle bescheinigt – den Sicherheitsstandards des GSG, spricht dies für die konstruktive Fehlerfreiheit sowie die Einhaltung der Verkehrspflichten des Parkbetreibers. Das bei der Benutzung gestürzte Unfallopfer muss einen dem zuwider behaupteten Konstruktionsmangel (fehlende Bremse, zu hohe Drehgeschwindigkeit) näher substantiieren.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 4 O 110/02)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Lüneburg vom 22.11.2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Beschwer: unter 20.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Unfalls in einem für Kinder bestimmten Spielgerät, das in dem von der Beklagten betriebenen Freizeitpark aufgestellt ist. Bei dem Spielgerät handelt es sich um eine zu den Seiten offene Innenlauftrommel von ca. 2 m Durchmesser, die ähnlich wie ein „Hamsterlaufrad” funktioniert. Sie wird durch die eigenen Laufbewegungen zum Drehen gebracht. Die Drehgeschwindigkeit wird von der Schnelligkeit des Laufs bestimmt. Eine Bremse oder eine sonstige technische Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit besitzt das Spielgerät nicht. Das Laufrad entspricht den Anforderungen des deutschen Gerätesicherheitsgesetzes und wurde auf Übereinstimmung mit den dafür geltenden DIN-Normen zuletzt ein Jahr vor dem Unfall geprüft. Die Klägerin war im Unfallzeitpunkt gut 12 1/2 Jahre alt; sie stürzte während der Laufbewegung und erlitt eine Fraktur des linken Sprunggelenkes. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlich gestellten Anträge (Schmerzensgeld i.H.v. 12.500 Euro sowie Feststellung künftiger Ersatzpflicht) unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags.

II. Die Berufung ist zurückzuweisen, da die Beklagte keine deliktische oder – mit gleichem Inhalt festzulegende – vertragliche Verkehrspflicht im Umgang mit zu schützenden Rechtsgütern der Parkbenutzer verletzt hat und überdies die Kausalität einer – unterstellten – Pflichtverletzung für die bei der Klägerin eingetretene Verletzung nicht dargetan ist.

Der Betreiber eines Freizeitparks, der Spiel- und Unterhaltungsgeräte an Parkbesucher gewerblich zur Nutzung überlässt, hat darauf zu achten, dass nur konstruktiv sichere Geräte eingesetzt und dass sie nur für den vom Hersteller vorgesehenen Verwendungszweck genutzt werden. In Bezug auf die Konstruktion der Produkte treffen ihn grundsätzlich keine höheren Verkehrspflichten als den Hersteller, der das entspr. Produkt in Verkehr gebracht hat. Bei einem Spielgerät, dessen Reiz für den Benutzer darin liegt, seine eigene Geschicklichkeit auszuprobieren, ist keine absolute Sicherheit für die persönliche Integrität zu gewährleisten. Die Verkehrserwartung geht vielmehr lediglich dahin, dass keine unvertretbaren und nicht vorhersehbaren Verletzungsfolgen eintreten, wenn ein Benutzer unter Berücksichtigung des zugelassenen Lebensalters und des vorhandenen Gefahrwissens in Selbstüberschätzung des eigenen Leistungsvermögens zu Fall kommt.

Der Hersteller eines Spielgeräts hat in Bezug auf dessen konstruktive Anforderungen regelmäßig die anerkannten Regeln der Technik einzuhalten; damit darf er sich begnügen, soweit diese Regeln nicht hinter der technischen oder wissenschaftlichen Entwicklung und jüngeren Gefahrerkenntnissen herhinken (Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, 2. Aufl. 1997, § 24 Rz. 21, 42). Die anerkannten Regeln der Technik entsprechen den Standards des öffentlichen Produktsicherheitsrechts (vgl. § 6 Abs. 1 ProdSG und § 3 Abs. 1 Satz 2 GSG). Überbetriebliche technische Normen, wie u.a. DIN-Normen, haben die Vermutung für sich, dass diese Regelwerke die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben (BGH VersR 1972, 767 [768]; s. ferner VersR 1971, 741 [742]; Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, 2. Aufl. 1997, § 24 Rz. 38). Die Wahrung der Sicherheitsstandards derartiger Regelwerke indiziert die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik (Foerste, Produkthaftungshandbuch, Bd. 1, 2. Aufl. 1997, § 24 Rz. 41; Marburger, FS Deutsch, 1999, S. 271, 284; zur ausnahmsweisen Haftung des Herstellers für konstruktive Produktfehler trotz erfolgreicher Zertifizierung durch den TÜV und Vergabe des GS-Zeichens BGH v. 9.10.1990 – VI ZR 103/89, MDR 1990, 612 = CR 1990, 402 = VersR 1990, 532 [533] – Expander; ferner v. 9.12.1986 – VI ZR 65/86, BGHZ 99, 167 [177] = MDR 1987, 396 – Honda-Lenkverkleidung [dort mit Besonderheiten zur aktiven Marktbeobachtung in Bezug auf fremde Zubehörteile]). Dass die nach dem GSG erforderlichen Sicherheitsstandards aufgrund einer Übereinstimmung der zum Einsatz gekommenen Innenlauftrommel mit den DIN 7926 Teil 1, Ausgabe 8.85 und Teil 5 ...

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