Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang des Direktanspruchs gegen den KFZ-Haftpflichtversicherer auf einen Sozialversicherungsträger und Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Übergang des Direktanspruch des Geschädigten gegen den KFZ-Haftpflichtversicherer des Schädigers auf den Sozialversicherungsträger steht auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 116 Abs. 1 SBG X das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SBG X entgegen.

2. Das gilt auch dann, wenn neben dem privilegierten Familienangehörigen ein weiterer nicht privilegierter Zweitschädiger (Halter) existiert.

 

Normenkette

SGB 10 § 116 Abs. 1, 6

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 13.06.2017; Aktenzeichen 73 O 16/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juni 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 73. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt als gesetzliche Krankenkasse von der Beklagten als Kfz-Haftpflichtversicherer der Halterin des Unfallfahrzeuges Erstattung von Leistungen, die sie aufgrund von Verletzungen für vier ihrer Mitglieder erbracht hat, die diese bei einem Verkehrsunfall vom 24. Mai 2015 erlitten haben. Darüber hinaus verlangt sie die Feststellung, dass die Beklagte bereits geleistete Beträge nicht zurück verlangen kann.

Fahrer des Unfallfahrzeuges war der Vater der vier Mitglieder der Klägerin M. C. Halterin des Transporters war die Firma D. GmbH, die das Fahrzeug bei der Beklagten versichert hatte.

Die Klägerin erbrachte für die Kinder des Herrn C. bislang Leistungen in Höhe von 23.379,25 EUR. Hiervon forderte sie von der Beklagten zunächst Erstattung von 20.715,03 EUR, die die Beklagte auch anwies. Weitere Zahlungen lehnte die Beklagte im Hinblick auf das zugunsten des Fahrers bestehende Familienprivileg ab und forderte die bereits erbrachten Leistungen von der Klägerin zurück.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen, der Anträge sowie der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil (Bl. 37 ff. d. A.), mit dem der Klage stattgegeben wurde, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die darauf verweist, das Urteil des Landgerichts lasse das richtige Verständnis zum Direktanspruch aus § 115 VVG gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer vermissen. Dieser sei naturgemäß nur gegeben, wenn auch ein Anspruch gegenüber dem Halter des Fahrzeugs zu bejahen sei. Insoweit bestehe strenge Akzessorietät. Nur wenn eine Haftung des Halters zu bejahen sei, greife im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander die Alleinhaftung des Kfz-Haftpflichtversicherers. Wenn aber aufgrund der Anwendung der Grundsätze über das gestörte Gesamtschuldverhältnis der Halter z. B. wegen der Privilegierung des Fahrers nicht hafte, hafte auch der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht.

Die Beklagte beantragt,

wie erkannt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil.

Das Landgericht habe zutreffend die Voraussetzungen für die Annahme eines gestörten Gesamtschuldverhältnisses verneint, da neben dem Fahrer des Fahrzeuges auch noch die Firma D. GmbH ohne Privilegierung hafte. Unabhängig davon hafte die Beklagte im Innenverhältnis der Gesamtschuldner ohnehin allein. Durch die StVG-Reform sei im Jahr 2002 zudem die Halterhaftung zugunsten der Fahrzeuginsassen ausgeweitet worden, denen nunmehr gleichberechtigte Ansprüche gegen Fahrer, Halter und Haftpflichtversicherer zustünden.

In jedem Fall könne die Beklagte aber die bereits gezahlten 20.715,03 EUR nicht zurückverlangen, denn sie habe in Kenntnis ihrer Nichtschuld geleistet. Zumindest sei die Beklagte nach Treu und Glauben an der Rückforderung gehindert.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu (vergl. nachfolgend 1.). Sie kann auch nicht die Feststellung verlangen, der Beklagten stehe ihrerseits kein Rückerstattungsanspruch in Höhe der bereits geleisteten 20.715,03 EUR zu (vergl. nachfolgend 2.).

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin kein auf sie übergegangener Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG i. V. m. § 116 Abs. 1 SBG X zu.

a) Zunächst gehen die Parteien zutreffend davon aus, dass die Klägerin den Fahrzeugführer, den Va...

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