Leitsatz (amtlich)

1. Vertragliche Willenserklärungen der Parteien sollen in aller Regel einen rechtserheblichen Inhalt haben; sie dürfen daher im Zweifel nicht so ausgelegt werden, dass sie sich als sinnlos oder wirkungslos erweisen.

2. Die Erklärung einer Insolvenzverwalterin, sie komme persönlich für die Bezahlung erbrachter Leistungen auf, kann als eigener Schuldbeitritt der Verwalterin auszulegen sein.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 30.10.2003; Aktenzeichen 14 O 31/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.10.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des LG Hannover wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 % übersteigt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der KG H. L. GmbH. Nach der Verfahrenseröffnung am 4.1.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe in ihrer "Eigenschaft als Insolvenzverwalter" verfügt, dass die Produktion wieder aufgenommen werde und die Zusammenarbeit der Schuldnerin mit der Klägerin weitergeführt werden solle. Weiter heißt es:

"Für die Bezahlung Ihrer erbrachten Leistungen komme ich ab Eröffnungsbeschluss des Insolvenzverfahrens persönlich auf."

Die Klägerin lieferte der Gemeinschuldnerin in der Folgezeit Baustoffe. Die Höhe der sich hieraus ergebenden Forderung ist mit 51.808,32 Euro unstreitig. Der Ausgleich der Forderung ist nicht zu erwarten, da die Beklagte am 13.8.2003 die Unzulänglichkeit der Masse nach § 208 InsO angezeigt hat.

Die Klägerin nimmt daher die Insolvenzverwalterin persönlich auf Zahlung in Anspruch. Deren Haftung ergebe sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 11.3.2002.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei nicht passiv legitimiert. Eine persönliche Haftung aus eigenen Mitteln komme nicht in Betracht; aus dem Schreiben vom 11.3.2002 ergebe sich, dass sie als Insolvenzverwalterin tätig geworden sei. Im Übrigen sei die Klage, soweit sie sich gegen die Masse richte, unbegründet, da der Gemeinschuldnerin ggü. der Klägerin Gegenforderungen in einer die Klagforderung bei weitem übersteigenden Höhe zustünden, mit denen diese die Aufrechnung erkläre.

Das LG hat die Beklagte persönlich in vollem Umfang zur Zahlung verurteilt. Die Beklagte habe mit dem Schreiben vom 11.3.2002 zugesagt, persönlich für die Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin, soweit diese aus der Zeit nach dem 11.3.2002 resultierten, einstehen zu wollen.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage. Sie hält die Auslegung ihrer Erklärung vom 11.3.2002 durch das LG für rechtsfehlerhaft und wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz, sie habe keine persönliche Einstandspflicht begründen, sondern lediglich auf die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO hinweisen wollen. Dies ergebe sich auch aus den Gesprächen, die die Parteien vor der Wiederaufnahme ihrer Geschäftsbeziehungen geführt hätten. In diesem Zusammenhang sei der Klägerin erklärt worden, dass der Rechnungsausgleich für neue Lieferungen unproblematisch sei, "da die Beklagte als Verwalterin hafte, wenn die Masse für die Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht ausreiche."

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, die Beklagte habe bei Auftragserteilung erklärt, persönlich für neu entstehende Forderungen einstehen zu wollen. Auf ihre Stellung als Massegläubigerin habe sich die Klägerin nicht verlassen wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, wegen der gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.5.2004 (Bl. 219 f. d.A.) verwiesen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das LG dem gegen die Beklagte persönlich gerichteten Zahlungsbegehren der Klägerin entsprochen. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11.3.2002 persönlich den Ausgleich der von ihr als Insolvenzverwalterin begründeten Verbindlichkeiten zugesichert; sie ist damit der Zahlungsverpflichtung der Gemeinschuldnerin beigetreten.

1. Bei der Auslegung des vom früheren Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin W. unterzeichneten Schreibens der Beklagten ist in erster Linie der Wortlaut der Erklärung und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (BGH v. 23.4.2002 - XI ZR 136/01, BGHReport 2002, 902 = MDR 2002, 899; vom 10.12.1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 13 [16] = MDR 1993, 635; vom 27.11.1997 - IX ZR 141/96, MDR 1998, ...

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