Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 LugÜ

 

Normenkette

LugÜ Art. 17

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 11.03.2003; Aktenzeichen 18 O 116/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.3.2003 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Hannover einschl. des der Entscheidung zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das LG Hannover zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer der Beklagten zu 1): 6.012,43 Euro

der Beklagten zu 2): 15.537,49 Euro

 

Gründe

I. Die Bundesrepublik Deutschland nimmt die Beklagten aus Bürgschaften auf erstes Anfordern in Anspruch, die die Beklagte zu 1) sowie die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) im Jahr 1995 erteilt haben. Die Bürgschaften enthalten die Klausel

„Gerichtsstand ist der Sitz der zur Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle.”

Der Text der Bürgschaftserklärung war von der Klägerin ihrer damaligen Vertragspartnerin, der M. AG übermittelt und auf deren Veranlassung hin von den Beklagten in die von diesen erstellten Bürgschaftserklärungen aufgenommen worden.

Die Beklagten bestreiten nunmehr die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung unter Hinweis auf das Erfordernis der beiderseitigen Schriftlichkeit gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a, 1. Alt. des Luganer Übereinkommens.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die die Zuständigkeit des angerufenen LG Hannover für gegeben hält und beantragt, das Urteil des LG Hannover vom 11.3.2003 – 18 O 116/02 – aufzuheben und das Verfahren an das LG Hannover zurückzuverweisen, hilfsweise,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 6.012,43 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2001 bis zum 31.12.2001 und i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen;

2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 15.537,49 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2001 bis zum 31.12.2001 und i.H.v. 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, wegen des Vortrages der Parteien in der Berufungsinstanz auf den Inhalt der zwischen den beiden gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie hat auch – i.S.d. Hauptantrags – Erfolg. Das LG Hannover ist für die Entscheidung des Rechtsstreits international sowie sachlich und örtlich zuständig.

1. Da die Beklagten ihren Sitz in der Schweiz und damit im Hoheitsgebiet eines Staates haben, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach dem Lugano-Abkommen vom 16.9.1988, Art. 54b Abs. 2 lit. a LugÜ, Art. 53 LugÜ. Die Zuständigkeit des LG Hannover ist durch eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien gem. Art. 17 LugÜ begründet worden.

a) Mit dem LG ist allerdings davon auszugehen, dass die schriftliche Erklärung der Klägerin, mit der diese ihrer Vertragspartnerin den Text der beizubringenden Bürgschaftserklärung vorgegeben hat, als solche keine schriftliche Erklärung i.S.v. Art. 17 LugÜ ist. Der übersandte Formulartext enthält keine auf den Abschluss des späteren Bürgschaftsvertrages gerichtete Willenserklärung der Klägerin, was bereits daraus folgt, dass das Bürgschaftsmuster als solches keinen Hinweis auf die Urheberschaft der Klägerin enthält. Das Muster selbst ist auch nicht Gegenstand des Vertrages geworden, sondern als Erklärung der nunmehr in Anspruch genommenen Bürgen von diesen in Vertragsform umgesetzt worden (vgl. ähnlich BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731).

b) Eine schriftliche Zuständigkeitsvereinbarung ist auch nicht dadurch zustande gekommen, dass die Beklagten die Bürgschaftserklärungen entspr. dem Muster der Klägerin mit den darin enthaltenen Gerichtsstandsklauseln in Vertragsform umgesetzt und ihrerseits schriftlich abgegeben haben. Damit haben zwar die Beklagten das Schriftformerfordernis hinsichtlich der Gerichtsstandsvereinbarung gewahrt. Die Klägerin hat den vereinbarten Gerichtsstand jedoch nicht schriftlich bestätigt. Ein Verzicht auf eine schriftliche Bestätigung kommt auch nicht bereits deshalb in Betracht, weil sowohl die Bürgschaften als auch die Gerichtsstandsklauseln für die Klägerin lediglich begünstigenden Inhalts sind. Ein Verzicht auf eine schriftliche Erklärung unter diesem Gesichtspunkt stünde im Widerspruch zu der aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit gebotenen wortnahen Auslegung des Art. 17 LugÜ (BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731 [1732]).

c) Das Erfordernis der beiderseitigen Schriftlichkeit i.S.v. Art. 17 Abs. 1 S. 2 lit. a, 1. Alt. LugÜ ist allerdings durch den im Jahr 1999 zwischen den Parteien anlässlich der Reduzier...

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