Leitsatz (amtlich)

1. § 168 InsO, insb. die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur eventuellen Nachteilsausgleichung nach Abs. 2, 2. Alt., findet auch im Falle freiwilliger öffentlicher Versteigerung des Sicherungsgutes Anwendung.

2. Bietet der Sicherungsgläubiger in einem derartigen Fall seinen Selbsteintritt zu einem bestimmten Kaufpreis an, ist der Verwalter gehalten, dem Auktionator diesen Betrag zzgl. der Versteigerungskosten als Mindestgebot aufzugeben.

3. Unterlässt der Insolvenzverwalter dies und wird bei der Versteigerung schließlich ein geringerer Erlös erzielt, ist er dem Sicherungsgläubiger i.H.d. Differenz zum Nachteilsausgleich verpflichtet.

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 15.07.2003; Aktenzeichen 5 O 22/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer – Einzelrichterin – des LG Verden vom 15.7.2003 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.762,07 Euro nebst Verzugszinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.1.2002 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 42 % und der Beklagte 58 %.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.762,07 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist – insoweit unstr. – als Sicherungseigentümerin absonderungsberechtigte Gläubigerin i.S.d. § 168 InsO. Sie nimmt den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen des … auf Nachteilsausgleichung gem. § 168 Abs. 2 InsO in Anspruch.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, es sei zweifelhaft, ob § 168 InsO auch im Falle öffentlicher Versteigerung Anwendung finde. Zudem habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass ihr überhaupt ein Nachteil entstanden sei. Dass und in welcher Höhe sie eine Insolvenzforderung habe und ihr, auch im Hinblick auf andere Insolvenzgläubiger, der gesamte Mehrerlös, den sie mit der Klage geltend mache, zugeflossen wäre, sei nicht nachvollziehbar.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin teilweise gegen die Klageabweisung, nämlich insoweit, als es um den Spiralkneter und den Backofen geht. Hinsichtlich dieser beiden Geräte wird entspr. der Berechnung auf S. 5 der Klageschrift weiterhin geltend gemacht, entspr. dem von ihr, der Klägerin, unterbreiteten Angebot hätte der Erlös für den Fall, dass der Beklagte ihren Selbsteintritt akzeptiert hätte, 32.640 DM betragen ggü. dem tatsächlich erzielten Erlös bei der Versteigerung von 23.326,20 DM. Die Differenz von 9.313,80 DM, dies sind 4.762,07 Euro, ist die Klageforderung.

Die Klägerin weist – unwidersprochen seitens der Berufungserwiderung – darauf hin, dass das ursprünglich eingewandte, vorgehende Vermieterpfandrecht nicht mehr bestanden und daher der Auskehrung des Versteigerungserlöses an sie, die Klägerin, nicht entgegen gestanden hat. Entsprechend dem Bericht des Beklagten (Bl. 20) seien die Absonderungsrechte des Vermieters erledigt gewesen. Ihre Insolvenzforderung habe 145.696,17 DM betragen und ist in dieser Höhe auch beim Beklagten angemeldet worden. Demgemäß hat der Beklagte den tatsächlich erzielten Erlös dann auch ohne Vorbehalte an sie, die Klägerin, gem. Schreiben vom 10.9.2001 ausgekehrt (Bl. 110).

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, § 168 InsO finde im Falle einer öffentlichen Versteigerung keine Anwendung. Im Übrigen sei das Angebot der Klägerin auf Selbsteintritt nicht präzise genug gewesen. Letztlich gehe daraus auch nicht eindeutig hervor, ob tatsächlich ein Selbsteintritt oder eine anderweitige Veräußerungsmöglichkeit an einen Dritten gemeint gewesen sei. Schließlich sei der Klägerin auch kein Nachteil entstanden, denn ggü. ihrem Anspruch auf Auskehrung des Erlöses hätte der Anspruch der Masse auf Bezahlung der Maschinen gestanden, sodass die Klägerin als Gläubigerin im Falle des Selbsteintritts nicht besser dagestanden hätte.

II. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Der Beklagte ist, weil er den von der Klägerin angebotenen Selbsteintritt hinsichtlich des Spiralkneters und des Backofens nicht akzeptiert hat, nach § 168 Abs. 2, 2. Alt. InsO zur Nachteilsausgleichung an die Klägerin verpflichtet.

1. Die Klägerin hat dem Beklagten durch ihr Schreiben vom 22.1.2001 (Bl. 7 d.A.) ein Angebot zum Selbsteintritt i.S.d. § 168 Abs. 3 S. 1 InsO unterbreitet und nicht lediglich in pauschaler und damit unzureichender Form auf Dritte als mögliche Kaufinteressenten hingewiesen.

Hätte der Beklagte, etwa im Hinblick auf den in diesem Schreiben enthaltenen Satz, die genannten Preise bezögen sich auf eine Verwertung durch die Klägerin, Zweifel gehabt, hätte er sich durch eine kurze Rückfrage bei der Klägerin unschwer vergewissern können und müssen, ob sie wirklich selbst eintreten wollte.

Unabhängig davon lässt sich aber der Wortlaut bei verständiger Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont aus nicht anders verstehen, als dass die Klägerin verbind...

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