Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Informationsobliegenheit in Rechtsschutzversicherung bei zugrunde liegendem Arzthaftungsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung genügt seiner Informationsobliegenheit nach § 17 Abs. 3 ARB 94 in einem zugrunde liegenden Arzthaftungsprozess, wenn er sich auf einen Vortrag beschränkt, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Die geringere Substantiierungspflicht des Patienten im Arzthaftungsprozess wirkt sich entsprechend auf die Informationsobliegenheit ggü. dem Rechtsschutzversicherer aus. Behandlungsunterlagen müssen erst auf Verlangen des Versicherers vorgelegt werden. Der Versicherungsnehmer muss auch keine ärztlichen Gutachten oder Stellungnahmen vorlegen, aus denen sich die behauptete Fehlerhaftigkeit der ärztlichen Behandlung und ihre Kausalität für die Verletzung ergeben.

2. Nimmt der Versicherungsnehmer verschiedene Ärzte und Krankenhäuser, die ihn nacheinander behandelt haben, wegen eines eingetretenen Schadens (Querschnittslähmung) auf einen einheitlichen Schadensbetrag in Anspruch so ist er nicht verpflichtet, nach § 17 Abs. 5c) bb) ARB 94 zunächst die Rechtskraft des Verfahrens gegen das zuletzt behandelnde Krankenhaus abzuwarten.

3. Verlangt der Versicherungsnehmer den Schaden von allen behandelnden Ärzten und Krankenhäusern aber nur einheitlich, so dass diese als Gesamtschuldner anzusehen sind, so ist er zur Vermeidung unnötiger Kosten nach § 17 Abs. 5c) cc) ARB 94 verpflichtet zu versuchen, diese gemeinschaftlich und nicht in getrennten Prozessen zu verklagen. Bei unterschiedlichen Gerichtsständen muss er zunächst versuchen, das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmen zu lassen.

 

Normenkette

ARB 94 § 17

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 04.08.2006; Aktenzeichen 8 O 68/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Parteien wird das am 4.8.2006 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach Maßgabe der in den Gründen dieses Urteils erfolgten Feststellungen bedingungsgemäß Deckung für außergerichtlichen Rechtsschutz und für das beabsichtigte erstinstanzliche Verfahren gegen Dr. R., das ... Krankenhaus R. und die Diakonie K. aufgrund ihrer Behandlungen in dem Zeitraum Januar bis März 1998 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 28 % und die Beklagte 72 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung der Eintrittspflicht aus einer Rechtsschutzversicherung für außergerichtlichen Rechtsschutz und eine beabsichtigte Klage gegen Dr. ..., das ... Krankenhaus R. sowie die Diakonie K. wegen ärztlicher Fehlbehandlung in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht eine Rechtsschutzversicherung für Nichtselbständige, der die ARB-HRV 94 zugrunde liegen (Bl. 27-30 d.A., Anl. B 1).

Der am 1.6.1927 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 1.-30.12.1997 in stationärer Behandlung im Krankenhaus P. Nach anschließender hausärztlicher Betreuung bei Dr. R. vom 5.-8.1.1998 hielt er sich vom 8.1.-19.3.1998 im Krankenhaus R. sowie vom 19.3.-21.4.1998 in der Lungenabteilung der Diakonie K. auf. Am 28.4.1998 wurde er in die Reha-Klinik B. eingeliefert, wo er sich bis zum 2.5.1998 befand. An diesem Tag wurde er in die neurochirurgische Abteilung des Krankenhauses K. aufgenommen, wo ein Querschnittssyndrom mit komplett motorischer und inkomplett sensibler Lähmungshöhe unterhalb des Thorax 8 festgestellt wurde, was trotz Notoperation nicht behoben werden konnte, da durch eine Staphylokokken-Sepsis das Rückenmark unterhalb des achten Brustwirbels vollkommen zerstört war. Der Kläger ist auf Dauer rollstuhlabhängig. Er nahm zunächst die Krankenhaus GmbH P. auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch. Die Klage wurde durch Urteil des LG Osnabrück vom 7.4.2004 abgewiesen (Bl. Anl. B 7).

Erstmals mit Schreiben vom 13.5.2004 begehrte der Kläger von der Beklagten Rechtsschutz gegen die Klinken und Ärzte, die ihn nach der Entlassung in P. behandelt hatten (Bl. 23-26 d.A.). Die Beklagte erteilte mit Schreiben vom 10.8.2004 Versicherungsschutz für den außergerichtlichen Bereich ggü. der Reha-Klinik B. (Bl. 50 f. d.A. 8 U 159/05). Bezüglich der Erteilung von Deckungsschutz für das gerichtliche Verfahren gegen die Reha-Klinik B. stellte der Senat mit Urteil vom 9.2.2006 in der Sache 8 U 159/05 die entsprechende Verpflichtung der Beklagten fest. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerd...

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