Entscheidungsstichwort (Thema)

Asbesthaltige Fassade: Offenbarungspflichtiger Mangel

 

Leitsatz (amtlich)

Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, begründen einen offenbarungspflichtigen Mangel der Kaufsache. Dabei kommt es nicht auf das Baujahr des verkauften Hauses an; entscheidend ist vielmehr, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein älteres Wohnhaus, dessen Fassade aus Asbestzementplatten besteht, als uneingeschränkt geeignet ansieht für die gewöhnliche bzw. nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung.

 

Normenkette

BGB § 434

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 30.08.2008; Aktenzeichen 5 O 104/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.11.2010; Aktenzeichen V ZR 181/09)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 30.8.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz und Feststellung weiterer Ersatzpflicht hinsichtlich der Sanierungskosten aus einem Kaufvertrag über ein Hausgrundstück in O. vom 4.10.2006. Das Wohnhaus war im Jahre 1980 in Fertigbauweise errichtet worden, wobei in der Fassade Asbestzementplatten verwendet wurden, was den Beklagten bekannt war.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten seien - nach erfolgloser Aufforderung zur Nacherfüllung - zum Schadensersatz verpflichtet, weil das Haus einen Sachmangel aufweise. Zudem hätten sie auf die Verwendung von Asbest hinweisen müssen.

Die Klage ist beim LG und OLG (8. Zivilsenat) ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Urteil des OLG Celle vom 7.2.2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des am 30.8.2007 verkündeten Urteils des LG Lüneburg

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 38.455,34 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.1.2007 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten den Klägern alle darüber hinausgehenden mit der Sanierung des Hauses Sch. in W. OT O. von Asbestfaserzementplatten verbundenen Schäden zu erstatten haben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des 8. Zivilsenats (Bl. 171 ff.) sowie des BGH vom 27.3.2009 (Bd. II, Bl. 58 ff.) verwiesen. Der Senat hat den Kläger als Partei angehört und den Beklagten zu 1 als Partei vernommen und Beweis durch Vernehmung des Zeugen N. erhoben. Insoweit wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 9.7. und 3.9.2009 (Bl. 79 ff. und 95 ff. Bd. II) verwiesen.

II. Die Berufung der Kläger ist nicht begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme können weder die Voraussetzungen eines Anspruches auf Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB noch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss aus § 280 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB festgestellt werden. Wegen des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses kommt eine Haftung der Beklagten nur bei arglistigem Handeln in Betracht (§ 444 BGB). Dies gilt auch für einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der nur bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers neben den kaufrechtlichen Regelungen anwendbar ist. In jedem Fall haben die Kläger arglistiges Verhalten der Beklagten im Hinblick auf die Verwendung von Asbestplatten darzulegen und zu beweisen. Das ist ihnen indessen nicht gelungen (unten zu 2.).

1. Nach der Entscheidung des BGH (a.a.O. Rz. 6 ff.) kann eine Haftung auf Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB zwar nicht mit der Begründung verneint werden, die Verwendung von Asbestzementplatten in der Fassade des 1980 errichteten Hauses stelle keinen (offenbarungspflichtigen) Sachmangel i.S.d. § 434 BGB dar. Vielmehr können Baustoffe, die bei der Errichtung des Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, einen offenbarungspflichtigen Mangel der Kaufsache begründen. Dabei kommt es nicht auf das Baujahr des verkauften Hauses (hier 1980) an; entscheidend ist vielmehr, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (hier 2006) ein älteres Wohnhaus, dessen Fassade aus Asbestzementplatten besteht, als uneingeschränkt geeignet ansieht für die gewöhnliche bzw. nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Danach kann bei der Frage des Sachmangels zwar nicht allein auf das abstrakte Gefährdungspotential der verwendeten Asbestzementplatten abgestellt werden (a.a.O. Rz. 9); vielmehr ist nach Auffassung des BGH, der sich der Senat anschließt, von einem Sachmangel erst, abe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge