Entscheidungsstichwort (Thema)

Alleinhaftung des Radfahrers bei Auffahrunfall auf anfahrendes Kfz

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 21.03.2003; Aktenzeichen 8 O 281/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.3.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 27.475,30 Euro.

 

Gründe

I. Zum Sachverhalt wird auf das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover vom 21.3.2003 (Bl. 71 ff. d.A.) verwiesen. Mit der Berufung rügt der Kläger, das LG habe verfahrensfehlerhaft das von ihm beantragte Sachverständigengutachten zum Unfallhergang nicht eingeholt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.475,30 Euro sowie ein angemessenes Schmerzensgeld (25.000 Euro) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Der Senat hat gem. Beweisbeschluss vom 13.10.2003 (Bl. 128 f. d.A.) ein Unfallrekonstruktionsgutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Dipl.-Ing. M. vom 17.11.2003 (in Aktenhülle) und das Sitzungsprotokoll vom 16.12.2003 (Bl. 152 f d.A.) Bezug genommen.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage i.E. zu Recht abgewiesen.

1. Nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen M. steht fest, dass der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Kollision den Überholvorgang abgeschlossen hatte, sich in einer leichten Anfahrbewegung befand und der Kläger aus Unaufmerksamkeit auf den Pkw auffuhr.

a) Der Sachverständige führt anhand der Spurendokumentation (Endstand des Pkw, Splitterfelder der gebrochenen Heckscheibe, Endlage des Klägers ausweislich der Blutspuren auf der Fahrbahnoberfläche, Schmutz- und Sandablagerungen im Bereich der rechten Fahrspur) nachvollziehbar aus, dass sich der Pkw im Zeitpunkt der Kollision parallel zum Fahrbahnverlauf der E.-Straße mit einem Seitenabstand von ca. 0,5 m zum rechten Gossenrand befunden habe und das Überholmanöver zweifelsfrei abgeschlossen gewesen sei (S. 7 bis 9 des Gutachtens). Da der Kläger in seiner Stellungnahme vom 28.11.2003 (Bl. 146 ff. d.A.) lediglich die Schlussfolgerungen des Sachverständigen, nicht aber die von ihm zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen beanstandet, ist davon auszugehen, dass er die in der Berufungsbegründung erstmals aufgestellte Behauptung, die Fotos in der Ermittlungsakte gäben die tatsächliche Endlage des Pkw nicht wieder, sondern der Beklagte zu 1) habe ihn nach der Kollision noch an den rechten Fahrbahnrand zurückgefahren, nicht aufrechterhält. Zudem ist die Endstellung des Pkw lediglich einer von vielen Aspekten, aus denen der Sachverständige schließt, dass der Überholvorgang zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes abgeschlossen war.

b) Auch die Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 1) habe den Unfall durch abruptes Abbremsen verursacht, ist aufgrund der sachverständigen Feststellungen ausgeschlossen. Anders als die Beklagten behaupten, hat der Pkw zum Zeitpunkt der Kollision zwar nicht gestanden, sondern ist mit einer leichten Anfahrgeschwindigkeit von 5 bis 10 km/h gefahren (Bl. 14 des Gutachtens). Das Fahrzeug hat sich nach dem Zusammenstoß noch etwa 3,5 m nach vorne bewegt (Bl. 9 des Gutachtens). Wäre der Kläger auf das stehende Fahrzeug aufgefahren, so hätte es sich in Anbetracht des Auffahrgewichts von ca. 90 kg und einer Kollisionsgeschwindigkeit des Klägers von etwa 30 km/h, die sich aus den Fahrzeugbeschädigungen und den Verletzungen des Klägers ergibt, mit einer Auslaufgeschwindigkeit von knapp 2 km/h allenfalls noch einen Meter nach vorne bewegen können (Bl. 10 f. des Gutachtens). Ausgeschlossen ist allerdings, dass der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Kollision eine starke Bremsung durchgeführt hat. Die Lage der Kontaktspuren des Fahrrades am Fahrzeugheck lassen sich nur durch einen Anstoß in etwa statischer Höhe des Hecks, die wiederum nur bei einer ganz geringen Fahrgeschwindigkeit gegeben ist, erklären. Bei einer starken Bremsung im Zeitpunkt der Kollision wären die Anstoßspuren wegen der dabei entstehenden dynamischen Achsverlagerung, die zu einer Absenkung der Fahrzeugfront unter gleichzeitiger Anhebung des Fahrzeughecks führt, weiter unten am Heck entstanden (Bl. 12 bis 14 des Gutachtens). Gegen eine Vollbremsung sprechen außerdem die erforderlichen Geschwindigkeiten der Unfallbeteiligten, um zu einer Auslaufstrecke des Pkw von 3,5 m kommen zu können: Der Beklagte zu 1) müsste etwa 25 km/h und der Kläg...

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