Entscheidungsstichwort (Thema)

Sekundäre Darlegungslast für ehebedingte Nachteile und deren Widerlegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die 44jährige geschiedene Ehefrau eines Zahnarztes kann vier Jahre nach Rechtskraft der Scheidung auch dann auf den Arbeitsmarkt für un- und angelernte Kräfte verwiesen werden, wenn sie das Abitur erworben und ein Lehramtsstudium im Zusammenhang mit der Eheschließung abgebrochen hat. das gilt jedenfalls dann, wenn sie während der Ehezeit mehrere Jahre als ungelernte Empfangskraft in der Praxis des Ehemannes mitgearbeitet hat.

2. Hat die zweite Ehefrau des Unterhaltspflichtigen vorehelich geborene Kinder (Stiefkinder des Unterhaltspflichtigen) in die Ehe mitgebracht und wird ihr im Rahmen der Dreiteilungsmethode ein Einkommen aus hypothetischer Erwerbstätigkeit zugerechnet (BGH, Urt. v. 18.11.2009 - XII ZR 65/09, FamRZ 2010, 111), so sind diese Einkünfte jedenfalls um den Betrag zu bereinigen, den sie zur Deckung des durch Unterhaltszahlungen des leiblichen Vaters nicht gedeckten Mindestbedarfes ihrer Kinder benötigen würde.

3. Dem Umstand der Haushaltsersparnis durch das Zusammenleben des Unterhaltspflichtigen mit seiner zweiten Ehefrau kann im Rahmen der Dreiteilungsmethode dadurch Rechnung getragen werden, dass der Quotenbedarf der geschiedenen Ehefrau pauschal um 10 % erhöht wird.

4. Zur Beurteilung ehebedingter Nachteile bei einer Abiturientin, die im Zusammenhang mit der Eheschließung in jungen Jahren ein Studium abgebrochen hat.

 

Normenkette

BGB § 1574 Abs. 2, § 1578 Abs. 1, § 1578b Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Lüneburg (Urteil vom 09.09.2009; Aktenzeichen 37 F 344/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das am 9.9.2009 verkündete Urteil des AG - Familiengericht - Lüneburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

'1. Das am 21.7.2004 verkündete Verbundurteil des AG - Familiengericht - Lüneburg wird zu Ziff. 2. (nachehelicher Unterhalt) für den Zeitraum seit dem 1.1.2009 dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten einen Nachscheidungsunterhalt nur noch wie folgt zu zahlen hat:

* monatlich 967 EUR (773 EUR Elementarunterhalt und 194 EUR Altersvorsorgeunterhalt) vom 1.1.2009 bis 31.5.2009

* monatlich 915 EUR (733 EUR Elementarunterhalt und 182 EUR Altersvorsorgeunterhalt) vom 1.6.2009 bis 30.6.2009

* monatlich 940 EUR (752 EUR Elementarunterhalt und 188 EUR Altersvorsorgeunterhalt) vom 1.7.2009 bis 31.12.2009

* monatlich 874 EUR (700 EUR Elementarunterhalt und 174 EUR Altersvorsorgeunterhalt) seit dem 1.1.2010.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.'

II. Die Kosten des Rechtsstreites werden in beiden Rechtszügen gegeneinander aufgehoben.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Abänderung einer im Juli 2004 ergangenen Verbundentscheidung zum nachehelichen Unterhalt.

Der 53jährige Kläger und die 46jährige Ehefrau haben im Mai 1987 geheiratet. sie lebten seit März 2000 voneinander getrennt. Die Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte im März 2001. die Ehe wurde durch Urteil des AG vom 21.7.2004 geschieden. Aus der Ehe sind zwei Kinder, der jetzt 15jährige Co (geboren November 1994) und der jetzt 12jährige Ki (geboren Juni 1997) hervorgegangen. Ki besucht seit Sommer 2009 in die siebte Klasse des Gymnasiums in B.. Co die neunte Klasse des Gymnasiums in Sch.

Im Zeitpunkt der Eheschließung arbeitete der Kläger nach seinem Studium der Zahnmedizin als Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr in der Nähe von Bremerhaven. Die Beklagte studierte in Osnabrück im 6. Fachsemester Geschichte und Theologie auf Lehramt für Gymnasien. Nach der Eheschließung gab die Beklagte - die Einzelheiten hierzu sind zwischen den Parteien streitig - ihr Studium auf und zog zum Kläger nach Bremerhaven. Nach Ende der Bundeswehrzeit des Klägers 1989/1990 zogen die Parteien dann zurück in die Nähe von Osnabrück. Dort baute der Kläger nach kurzer Tätigkeit als angestellter Zahnarzt seit 1991 seine eigene Praxis auf. zwischen 1991 und der Geburt des ersten Kindes 1994 arbeitete die Beklagte dort als Empfangskraft. Danach ist die Beklagte nicht wieder erwerbstätig gewesen.

Im Scheidungsverbund wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte einen monatlichen Elementarunterhalt von 1.227 EUR, einen monatlichen Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 364 EUR und einen monatlichen Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. 296 EUR zu zahlen, mithin insgesamt 1.887 EUR. Mit seiner am 25.10.2008 zugestellten Abänderungsklage begehrt der Ehemann sofortige Abänderung auf Null. Er stützt die Abänderungsklage im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte vollschichtig arbeiten könne und keine ehebedingten Nachteile erlitten habe. Sie habe gegen seinen Willen aus freien Stücken das Studium aufgegeben. Im Übrigen sei er seit dem Jahre 2007 in zweiter Ehe verheiratet. seine zweite Ehefrau habe aus erster Ehe drei Kinder in die Ehe gebracht und sei nur teilschichtig berufstätig.

Die Beklagte verteidig...

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