Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Zurechnung psychischer Fehlverarbeitung von Unfallfolgen.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Aktenzeichen 2 O 539/98)

 

Tenor

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Sache wird zur Entscheidung über den Betrag des Anspruchs an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens übertragen wird.

Der Wert der Beschwer übersteigt für beide Parteien 20.000 Euro.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Den Gegenstand des Rechtsstreits bilden die Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich am 24.10.1992 gegen 19:00 Uhr an der Einmündung der ...-Straße in die ...-Straße in U. ereignete. Zu diesem Zeitpunkt musste der Ehemann der Klägerin, in dessen Pkw VW Passat Variant sie als Beifahrerin mitfuhr, sein Fahrzeug verkehrsbedingt anhalten. Dies übersah der Beklagte zu 1), der dem VW Passat des Ehemanns der Klägerin mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Audi 100 nachfolgte, und fuhr infolgedessen auf das stehende Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin auf.

Die Klägerin hat behauptet, bei diesem Unfall eine schwerste Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule erlitten zu haben mit der Folge eines beidseitigen Tinnitus, einer Störung des gleichgewichtserhaltenden Systems und einer Beeinträchtigung des vestibulospinalen Subsystems bei erhaltener kalorischer Erregbarkeit. Wegen der materiellen und immateriellen Schäden, die die Klägerin, die seit 1987 als Filialleiterin in einem Lebensmitteldiscountgeschäft - zuletzt als Verkaufsstellenverwalterin bei der Firma ... - tätig war und die seit dem 1.6.1994 eine Erwerbsunfähigkeitsrente erhält, auf den Unfall zurückgeführt und beim LG eingeklagt hat, wird auf die S. 19 bis 67 der Klageschrift Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2) hat vorprozessual an die Klägerin 2.245 DM ohne eine Verrechnungsbestimmung gezahlt. Im Übrigen haben die Beklagten die Unfallbedingtheit der von der Klägerin geklagten Beschwerden ebenso bestritten wie die Berechtigung und die Höhe der einzelnen von ihr geltend gemachten Schadenspositionen.

Das LG hat die Klage nach der Einholung eines interdisziplinären technischmedizinischen Gutachtens des Ingenieurbüros ... + ... und des orthopädischen Forschungsinstituts M. abgewiesen. In diesem Gutachten vom 25.7.2000 hat der technische Sachverständige Dipl.-Ing. W. eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 6 bis 7 km/h ermittelt und der medizinische Sachverständige Dr. H. ausgeführt, dass die Klägerin bei dem Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine schwerste Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule erlitten habe. In Einklang hiermit hat auch der Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität M. Prof. Dr. S. in seinem Zusatzgutachten vom 20.6.2000 es - bezogen auf sein Fachgebiet - für völlig ausgeschlossen gehalten, dass eine unfallbedingte Ursache für die von der Klägerin geklagten Beschwerden in Betracht kommt.

Gegen das klagabweisende Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre in erster Instanz gestellten Anträge in etwas reduziertem Umfang weiterverfolgt. Sie weist darauf hin, dass sie - geboren am 2.12.1963 - vor dem Unfall nicht an vergleichbaren Beschwerden gelitten habe und keine degenerativen Vorschäden nachzuweisen gewesen seien. Sie habe unmittelbar nach dem Unfall objektivierbare Beschwerden gehabt, die eine unfallbedingte schwere Weichteilverletzung nahe legten. So habe sie sich bereits eine Stunde nach dem Unfall in die ärztliche Behandlung des Facharztes für Chirurgie Dr. M. begeben, der eine am 5.11.1992 durchgeführte Szintigraphie durch Dr. L. veranlasst habe.

Als Alternativursache für ihre Beschwerden behauptet die Klägerin eine psychosomatische Reaktion auf das Unfallgeschehen vom 24.10.1992.

Ihre Begehrensvorstellung für das geltend gemachte Schmerzensgeld beziffert die Klägerin nunmehr mit mindestens 40.000 DM.

Sie beantragt, unter Änderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 19.810,70 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3.4.1998 zu zahlen;

2. a) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine Geldrente für Verdienstausfallschaden für die Zeit vom 24.10.1992 bis 30.6.1998 i.H.v. 127.406,19 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7.12.1998 zu zahlen;

b) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine monatliche Geldrente i.H.v. 2.400 DM beginnend am 1.7.1998, jeweils vierteljährlich im Voraus zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines Jahres bis zum 2.12.2028 zu zahlen;

3. a) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine Geldrente wegen Beeinträchtigung der Führung des Haushaltes für die Zeit vom 24.10.1992 bis 30.6.1998 i.H.v. 65.087,03 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7.12.1998 zu zahlen;

b) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie wegen der Beeinträchtigung der Führung des Hau...

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