Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtabwägung zur Prüfung eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Gesamtabwägung einer Vielzahl von Indizien und Umständen bei der Prüfung, ob eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches vorliegt (hier: Abmahnungen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Briefkästen).

 

Normenkette

UWG §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Urteil vom 27.04.2016; Aktenzeichen 11 O 28/15)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.4.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Hildesheim abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen und Zeitungsrollen in den Verkehr zu bringen

a) mit einer Formulierung

"Umweltfreundlich produziert"

wie aus den nachfolgend eingeblendeten Anlagen FN 5 oder FN 6 ersichtlich geschehen;

(nicht darstellbar)

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen zu Ziffern 1. a) und 1. b) ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 984,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.9.2015 zu erstatten.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten ihrer Streithelferin; diese trägt die Streithelferin selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die als Zwischenhändlerin unter anderem von der Streithelferin hergestellte Briefkästen und Zeitungsrollen veräußert, macht gegen die beklagte Gesellschafterin der "H.-Gruppe" und Betreiberin eines Baumarktes wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche sowie Abmahnkosten geltend.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des LG Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nachdem das LG im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren 11 O 23/15 (= 13 W 62/15) Unterlassungsansprüche der Klägerin mit der Begründung verneint hatte, die Parteien stünden nicht in einem Wettbewerbsverhältnis, hat der Senat die beantragte einstweilige Verfügung am 30.9.2015 im Beschlusswege hinsichtlich der Unterlassungsansprüche betreffend die in den Anlagen FN 5 und FN 7 enthaltenen Werbeaussagen erlassen.

Im Hauptsacheverfahren hat der Einzelrichter die Klage nunmehr mit der Begründung abgewiesen, das Vorgehen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich und die Geltendmachung ihrer Ansprüche daher - wie auch die Beklagte und ihre Streithelferin meinen - gemäß § 8 Abs. 4 UWG unzulässig.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin ist der Auffassung, das LG habe zu Unrecht einen Rechtsmissbrauch bejaht.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 984,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.9.2015 zu erstatten.

2. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte im Marktsegment Postkästen und Zeitungsrollen in den Verkehr zu bringen

a) mit einer Formulierung

"Umweltfreundlich produziert"

wie aus den Anlagen FN 5 oder FN 6 ersichtlich geschehen;

Ein Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 6.4.2000 - I ZR 76/98, juris Rn. 19; Urteil vom 5.10.2000 - I ZR 237/98, juris Rn. 21; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rn. 4.10 m.w.N.). Sie müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 - I ZR 300/02, juris Rn. 16). Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs ist jeweils unter sorgfältiger Prüfung und Abwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wobei sich die Motive und Zwecke der Geltendmachung des Anspruchs in der Regel nur aus den äußeren Umständen erschließen lassen. Dabei ist vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße, auf die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners nach dem Verstoß und das Verhalten sonstiger Anspruchsberechtigter abzustellen (vgl. BGH, a.a.O.). Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können...

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