Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Bewerbung von Nahrungsmitteln mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Werbung mit der Aussage "kein zugesetzter Zucker" stellt eine nährwertbezogene Angabe dar, die gegen Art. 8 Abs. 1 HCVO i.V.m. deren Anhang verstößt, wenn dem Produkt Honig zum Süßen zugesetzt ist.

2. Bei der Aussage "Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge" handelt es sich um eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 HCVO, die keinem zugelassenen Health Claim entspricht. Insbesondere kann sich die Verwenderin insoweit nicht auf einen Claim für Fructose stützen, weil gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10, 13 HCVO nur zu dem jeweiligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürfen, für die sie nach der Gemeinschaftsliste zugelassen sind, nicht jedoch zu dem Lebensmittelprodukt, das diese Elemente enthält, ohne den der zugelassenen Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit der Substanz etc. herauszustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 - I ZR 232/15, juris Rn. 7 m.w.N.; Senatsurteil vom 22. Oktober 2015 - 13 U 123/14 -, juris Rn. 53 ff.).

3. Die Werbung "enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel" stellt ebenfalls eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe dar, die keinem zugelassenen Health Claim entspricht. Sie ist auch nicht deshalb als zulässig anzusehen, weil sie allgemein gehalten ist und das beworbene Produkt unstreitig verschiedene Vitamine und Mineralstoffe enthält.

 

Normenkette

EGV 1924/2006 Art. 1 Abs. 3, Art. 3, 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 13; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 24.05.2018; Aktenzeichen 7 O 3/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers sowie unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das am 24. Mai 2018 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "A. Vitalkost" zu werben:

a) "Kein zugesetzter Zucker",

b) "Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge",

c) "Enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel", ohne zugleich den Stoff/die Stoffe anzugeben, für den diese gesundheitsbezogene Angabe zugelassen wurde,

sofern dies jeweils geschieht, wie in der Anlage K 3 wiedergegeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2018 zu zahlen.

3. Der Hilfsantrag der Beklagten auf Bewilligung einer Aufbrauchfrist wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Unterlassungsansprüche durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von jeweils 20.000 EUR sowie eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung der Unterlassungsansprüche Sicherheit in jeweils gleicher Höhe und vor der Vollstreckung wegen der Kosten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird - zugleich gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - auf 60.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere im Rahmen des lauteren Wettbewerbs, gehört. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das das Lebensmittel "A. Vitalkost" herstellt.

Die Beklagte bewarb dieses Lebensmittel in der Zeitschrift "P.", Heft 45/2017, dort S. 22 und 23, unter anderem mit den Aussagen:

"Kein zugesetzter Zucker",

"Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge", sowie

"Enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Anlage K 3 (Bl. 57 f. d.A.) Bezug genommen. Der Kläger hält die Werbung mit den vorgenannten Aussagen u.a. wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der VO (EG) Nr. 1924/2006 (im Folgenden: HCVO) für unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags erster Instanz und der dort ...

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