Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer wiederholten Vollstreckungsgegenklage gegen eine notarielle Urkunde findet § 767 Abs. 2 ZPO entgegen § 797 Abs. 4 ZPO Anwendung.

2. Es kommt für die Annahme einer Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO weder auf den Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts noch auf denjenigen der Kenntniserlangung der zugrunde liegenden Umstände, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem das Recht objektiv erstmalig hätte ausgeübt werden können.

 

Normenkette

ZPO § 797 Abs. 4, § 767 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 17.12.2010; Aktenzeichen 16 O 236/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.12.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars W. M. in Sch.-Schw. vom 30.12.2005 (Nr. 114 der Urkundenrolle für 2005 des Notars M.) wird für unzulässig erklärt, soweit die Beklagte Zinsen auf den Kaufpreis bis zum 6.4.2009 vollstreckt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde, hilfsweise die Feststellung der Unzulässigkeit und hilfshilfsweise die Herausgabe der notariellen Urkunde.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit notariellem Kaufvertrag vom 30.12.2005 eine Eigentumswohnung von der Beklagten, und zwar einen 90/1000 (abgeändert durch Vertrag vom 4.5.2006 auf 99,82/1000) Miteigentumsanteil an dem bebauten Grundstück ... in B. P. erlangt. Der Kaufpreis betrug 110.000 EUR. Fälligkeits- und Zwangsvollstreckungsregelungen waren in §§ 3 und 6 der Urkunde enthalten. Im beigezogenen Verfahren 16 O 365/06 LG Hannover hat die Klägerin Vollstreckungsgegenklage erhoben; diese hat das LG Hannover mit Urteil vom 12.9.2008 abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten dazu verurteilt, zu erklären, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen gem. § 3 Ziff. 1 des Kaufvertrags vorliegen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 10.3.2009 gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Urkundsnotar teilte mit Schreiben vom 20.3.2009 die Fälligkeit des Kaufpreises mit. Die Klägerin hat den Kaufpreis bislang nicht gezahlt. Die Beklagte hat deswegen im Grundbuch von A. für die Hof- und Gebäudefläche der Klägerin "..." eine Sicherungshypothek eintragen lassen; ferner hat sie die monatliche Pension der Klägerin vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen gepfändet. Die Vollstreckung erfolgt wegen des Kaufpreises einschließlich Zinsen seit dem 30.1.2006. Unter dem 13.10.2009 hat die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrages gegenüber der Beklagten mit der Behauptung erklärt, die Wohnung habe bei Vertragsschluss einen Verkehrswert von nur 47.690 EUR gehabt. Die Minderung des Verkehrswertes bestehe deshalb, weil sich die Wohnung in Ortsrandlage befinde, durch eine Hauptverkehrsstraße beeinträchtigt sei und keinen Fahrstuhl aufweise; die weite Entfernung des Parkplatzes vom Hauseingang sowie das Fehlen einer Einbauküche träten hinzu. Hiervon hätte die finanzierende Bank Kenntnis gehabt. Die Beklagte, die finanzierende Bank (bei der die Beklagte angestellt sei) und der Makler hätten bewusst zusammen gewirkt, um eine Veräußerung zu einem überhöhten Kaufpreis zu erreichen.

In einem Verfahren der B. GmbH gegen die hiesige Klägerin auf Zahlung von Maklerlohn hat das OLG Hamm einen Beweisbeschluss über den Wert der verkauften Wohnung erlassen.

Das LG hat die Klage unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei mit den nunmehr erhobenen Einwendungen nach § 767 Abs. 2 und 3 ZPO ausgeschlossen; diese Vorschriften seien entgegen § 797 Abs. 4 ZPO anwendbar, da es sich vorliegend um eine wiederholte Vollstreckungsgegenklage handele. Denn die dem Vorbringen zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände hätten bereits vor Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage im Verfahren 16 O 365/06 LG Hannover vorgelegen. Bei Gestaltungsrechten sei allein auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Gründe, auf denen sie beruhen, objektiv entstanden sind und erstmalig die Befugnis bestand, sie auszuüben; auf die Kenntnis von diesen Umständen oder die Ausübung des Gestaltungsrechtes komme es nicht an.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, sie hätte in diesem ...

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