Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Straftat nach § 326 StGB beginnt der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich der Tathandlungen des Lagerns und Ablagerns mit dem Abstellen des betreffenden Gegenstandes als Abfall, also mit dem Abschluss der Beseitigungshandlung.

2. Das Revisonsgericht stellt das Verfahren auf eine zulässige Revision gegen ein Verwerfungsurteil (§ 412 i.V.m. § 329 Abs. 1 StPO) ein, wenn - was freibeweislich zu prüfen ist - ein Verfahrenshindernis bereits vor Erlass des Strafbefehls bestand.

 

Normenkette

StGB §§ 78, 326; StPO § 260

 

Verfahrensgang

AG Syke (Entscheidung vom 20.09.2010)

AG Syke (Entscheidung vom 15.06.2010)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten werden der Strafbefehl des Amtsgerichts Syke vom 15. Juni 2010 und das Urteil des Amtsgerichts Syke vom 20. September 2010 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, eingestellt.

3. Eine Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen wird nicht gewährt.

 

Gründe

I. 1. Der Angeklagte war durch Strafbefehl des Amtsgerichts Syke vom 15. Juni 2010 wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt worden. Dem lag der Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe bis zum 28. April 2010 und in nicht rechtsverjährter Zeit davor einen Mercedes Benz L 406 D Kastenwagen mit der FIN xxxxxx auf dem ihm gehörenden Grundstück M. in W. abgestellt, obwohl sich in dem Fahrzeug noch bodengefährdende Flüssigkeiten, namentlich Motoröl, Bremsflüssigkeit und Batteriesäure befanden. Zudem sei Ölverlust mit Tropfenbildung am Motor festgestellt worden.

Gegen diesen Strafbefehl hat der Angeklagte rechtzeitig und wirksam Einspruch eingelegt. Den Einspruch hat das Amtsgericht Syke gemäß § 412 StPO durch das angefochtene Urteil vom 20. September 2010 mit der Begründung verworfen, dass der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung vom selben Tage ferngeblieben sei, ohne genügend entschuldigt zu sein. Ein Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung des Termins zur Hauptverhandlung ist erfolglos geblieben.

2. Der Angeklagte hat gegen das Verwerfungsurteil am 4. Oktober 2010 rechtzeitig zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Syke ein als Revision bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Zur Begründung dieses Rechtsmittel hat er u.a. vorgebracht, bei dem fraglichen Fahrzeug Mercedes Benz handele es sich nicht um Abfall im strafrechtlichen Sinne. Zur Erläuterung dieser Einschätzung hat er auf seine Ausführungen in einem bereits in den Jahren 2001 und 2002 gegen ihn unter dem Aktenzeichen xxxxxx Staatsanwaltschaft Verden wegen des Verdachts des unerlaubten Umgangs mit Abfällen geführten Strafverfahren verwiesen.

II. Das als Sprungrevision gemäß § 335 StPO gegen das Verwerfungsurteil zulässige Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Einstellung des Verfahrens. Die dem Angeklagten vorgeworfene Straftat des unbefugten Lagerns von Abfällen gemäß § 326 Abs. 1 Nr. 4a StGB ist nach § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 78a StGB verjährt.

1. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung bildet ein Verfahrenshindernis. Das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses, das bereits in der Tatsacheninstanz vorlag und dort hätte beachtet werden müssen, führt in der Revisionsinstanz auf eine zulässige Revision hin gemäß § 349 Abs. 4 i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Einstellung des Verfahrens durch das Revisionsgericht (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 22.2.2007 - 32 Ss 20/07, NStZ 2008, 118 = Nds.Rpfl 2007, 163; siehe auch Schneider, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., 2008, § 206a Rn. 4 m.w.N. sowie Radtke, in: Radtke/Hohmann, StPO, 2011, Einleitung Rn. 67).

Der Umstand, dass sich das als Revision bezeichnete und nur mit der Sachrüge begründete Rechtsmittel des Angeklagten gegen ein Verwerfungsurteil gemäß § 412 S. 1 i.Vm. § 329 Abs. 1 StPO richtet, steht einer Aufhebung dieses Urteils und der Einstellung des Verfahrens nicht entgegen. Nach allgemeiner Auffassung, die der Senat teilt, eröffnet die zulässig erhobene Revision gegen ein Verwerfungsurteil mit der Sachrüge dem Revisionsgericht die Möglichkeit und zugleich die Pflicht zur Prüfung von Verfahrenshindernissen (BGHSt 21, 242 f.; BayObLGSt 2001, 101; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., 2010, § 412 Rn. 11 i.V.m. § 329 Rn. 49; Alexander, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 412 Rn. 24 m.w.N.). Das Verfahrenshindernis der Verjährung war bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Strafbefehls eingetreten (unten 2.). Das Amtsgericht hätte daher gemäß § 408 Abs. 2 StPO bereits den Erlass des Strafbefehls ablehnen müssen (vgl. Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 408 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, § 408 Rn. 29; Alexander, in: Radtke/Hohmann, StPO, § 408 Rn. 5). Wegen der eingetretenen Verfolgungsverjährung hätte das Amtsgericht auf den zulässigen Einspruch des Angeklagten hin, ungea...

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