Leitsatz (amtlich)

– Zum Ausschluß eines im Vergabeverfahren abgegebenen Angebots für die Verarbeitung und Verwertung des in „Bio-Tonnen” gesammelten Hausabfalls wegen eines offenbaren Mißverhältnisses des Preises zur Leistung (§§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A).

– Ein Nebenangebot im Sinn des § 25 Nr. 1 Abs. 1 g VOL/A liegt auch dann vor, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bei der Bezeichnung des Vertragsgegenstands ein bestimmtes Verfahren zur Erreichung des Vertragsziels angegeben hat, und der Bieter ein anderes Verfahren zur Grundlage seines Angebots macht.

 

Normenkette

VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3, Nr. 1 Abs. 1 g

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Bezirksregierung Lüneburg (Beschluss vom 02.03.1999; Aktenzeichen 203 VgK 1/1999)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 2. März 1999 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten für den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu tragen.

Der Wert der Beschwerde wird auf 828.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

A.

Der Landkreis … schrieb im Juli 1998 EG-weit die Verwertung. (Vergärung), der bei ihm anfallenden Bioabfälle aus. Vor Ablauf der Zuschlagsfrist beantragte die Antragstellerin, eine der insgesamt zehn Bieter, ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 107 ff. GWB einzuleiten und dem Landkreis aufzugeben, den Zuschlag nicht auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung hat sie u.a. vorgetragen, der Angebotspreis der Beigeladenen stehe in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung. Außerdem habe der Antragsgegner der Beigeladenen ein pachtfreies Grundstück zur Durchführung der Leistung angeboten; darin liege eine Diskriminierung der anderen Bieter.

Die Vergabekammer hat den Antrag durch Beschluss vom 2. März 1999, der Antragstellerin zugestellt am 3. März 1999, zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin am 12. März 1999 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertieft und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,
  2. dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die vorliegenden Angebote der Beigeladenen zu erteilen,
  3. dem Antragsgegner aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die Nebenangebote zu erteilen, soweit diese eine Kompostierung der Bioabfälle vorsehen,
  4. festzustellen, dass die Antragstellerin durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist.

Der Antragsgegner verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist gemäß §§ 116 Abs. 1, 117 GWB zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

I. Antrag, dem Landkreis aufzugeben, den Zuschlag nicht auf die Angebote der Beigeladenen zu erteilen

1. Die Antragstellerin hat die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens in zulässiger Weise beantragt.

Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoss gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht gerügt hat.

Das war hier nicht der Fall, denn die Antragstellerin hat vor Einleitung des Vergabeverfahrens gegenüber dem Landkreis gerügt, dass das Angebot der Beigeladenen auf einem offenbaren Missverhältnis des Preises zur Leistung beruhe. Soweit sie nachträglich außerdem geltend gemacht hat, der Landkreis habe der Beigeladenen unter Verstoss gegen Vergabevorschriften ein Pachtgrundstück zur Verfügung gestellt, ferner habe die Beigeladene entgegen der Ausschreibung die Preisgleitklausel nicht ausgefüllt, schließlich lägen unzulässige Nebenangebote für eine Kompostierung der Bioabfälle vor, hat die Antragstellerin dargelegt, dass sie von den zugrundeliegenden Umständen erst während des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis erlangte.

Die Antragstellerin hat den Antrag allerdings nicht darauf stützen können, dass aus den Verdingungsunterlagen nicht ersichtlich sei, welche Zuschlagskriterien der Landkreis für die Entscheidung über die Angebote vorsehe. Dies war bereits aufgrund der Bekanntmachung der Vergabeunterlagen erkennbar. Die Klägerin hätte es deshalb bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung rügen müssen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 GWB).

2. Die Antragstellerin beanstandet ohne Erfolg, bei dem Angebot der Beigeladenen stünden die Preise in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung.

Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A, auf dessen Einhaltung der Antragsteller einen Anspruch hat (§ 97 Abs. 7 GWB), darf auf Angebote, deren Preis in offenbarem Missverhältnis zur Leistung steht, der Zuschlag nicht erteilt werden. Ein offenbares Missverhältnis im Sinn der Vorschrift ist gegeben, wenn das grobe Abweichen vom angemessenen Preis sofort ins Auge fällt, ohne dass es einer genauen Prüfung im Einzelnen bedarf. Dabei ist grundsätzlich auf die Endsumme des Angebots abzustel...

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