Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, -dass das Nachlassgericht im Zusammenhang mit der Festsetzung der Nachlasspflegervergütung eine Prüfung der Abrechnung vorzunehmen hat und sich aus dem Beschluss ergeben muss, dass diese Prüfung vorgenommen wurde, -dass fehlende ebenso wie bloß formelhafte Begründungen ungenügend sind und die Aufhebung und Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG rechtfertigen können, -dass für Rechtsanwälte als Nachlasspfleger grds. nicht mehr als der doppelte Satz in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG anzusetzen sind, wobei eine darüber hinausgehende Festsetzung nicht ausgeschlossen ist, aber der besonderen Begründung bedarf (wobei gegen die Bewertung einer Nachlasspflegschaft als "schwierig" bzw. aufwändig" spricht, dass - so vorliegend - eine Vielzahl von "Hausbesuchen" zur Kontrolle eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks vorgenommen wurde).

2. Die Prüfungs- und Begründungspflicht des Nachlassgerichts entfällt nicht wegen der Bestellung eines Verfahrenspflegers, dessen Aufgabe es ist, die Vergütungsabrechnung des Nachlasspflegers zu prüfen.

 

Normenkette

BGB § 1836 Abs. 1, § 1915 Abs. 1, § 1960; FamFG §§ 38, 69; VBVG § 3

 

Verfahrensgang

AG Rotenburg (Wümme) (Beschluss vom 12.04.2022; Aktenzeichen 6 VI 662/19)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 9. November 2022 werden aufgehoben.

Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über einen Vergütungsantrag der Beteiligten zu 2 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

 

Gründe

Die Beschwerde, mit der die Beteiligte zu 1 sich gegen die vom Amtsgericht festgesetzte Vergütung in Höhe von insgesamt 16.075,67 EUR für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2021 für die Tätigkeit des Beteiligten zu 2 als Nachlasspflegerin wendet, ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Ihre entgegen der erfolgten Ankündigung aus hier nicht bekannten Gründen unterbliebene Begründung ändert an der Zulässigkeit der Beschwerde nichts.

Die Begründung soll lediglich der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung dienen. Das Fehlen der Begründung ändert insbesondere nichts an der auch im Beschwerdeverfahren bestehenden Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG); das Beschwerdeverfahren beginnt mit Einlegung der Beschwerde, das Abhilfeverfahren ist damit Teil des Beschwerdeverfahrens. Die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen sind sämtlich von Amts wegen festzustellen. Das Gericht ist lediglich nicht verpflichtet, ohne jeden Anhaltspunkt von sich aus Ermittlungen in alle Richtungen anzustellen.

2. Das Amtsgericht hat es allerdings unterlassen, überhaupt eine Prüfung der Abrechnung der Beteiligten zu 2 vorzunehmen, und hat sich stattdessen, legt man die fehlende Begründung im angefochtenen Beschluss zugrunde, darauf beschränkt, wie bereits bei den vier vorhergehenden, nicht angefochtenen Festsetzungen als Anweisungsstelle tätig zu werden.

Seiner Prüfungspflicht konnte sich das Gericht auch nicht dadurch entziehen, dass eine Verfahrenspflegerin bestellt wurde. Deren Schreiben vom 9. März 2022 macht, auch für das Amtsgericht ohne weiteres erkennbar, nicht deutlich, dass eine ausreichende Prüfung der Vergütungsabrechnung der Beteiligten zu 2 stattgefunden hat. Ungenügend ist die dort genannte Auffassung, ein Stundensatz von 120 EUR sei "nach diesseitiger Auffassung" als angemessen zu erachten, weil es schwerlich auf die persönliche Auffassung der Verfahrenspflegerin ankommen kann, vielmehr bereits eine kurze Recherche zu der Erkenntnis geführt hätte, dass das Beschwerdegericht einen solchen Stundensatz für grundsätzlich unangemessen erachtet.

3. Nach § 1915 Abs. 1 Satz 2, § 1836 Abs. 1 BGB richtet sich die Höhe der Vergütung des Berufspflegers eines Nachlasses, wenn dieser werthaltig und nicht mittellos ist, nach den für die zu führenden Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte. Das Amtsgericht hat es versäumt, im angefochtenen Beschluss zu den vorgenannten Kriterien Feststellungen zu treffen. Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts hat daran nichts geändert.

Die Festsetzung einer Stundenvergütung von 120 EUR gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 2 vom 12. Januar 2022 ist ohne jede Begründung geblieben. Dass überhaupt ein solcher Stundensatz in Betracht kommt, erscheint dem Senat zwar nicht ausgeschlossen, bedürfte aber eingehender Begründung. Der Senat hat bislang bei einem werthaltigen Nachlass in einer relativ einfach gelagerten Sache einen Stundensatz von 67 EUR für einen Rechtsanwalt als angemessen erachtet (6 W 112/10). In einer weiteren Sache hat er die vom Amtsgericht angesetzten 75 EUR noch für angemessen erachtet; Nachlasspflegerin war eine Fachanwältin für Erbrecht, deren Tätigkeit im Wesentlichen in einfachem Schriftverkehr zur Verwaltung des Nachlasses sowie Handreichungen für das zum Nachlass gehörende Grundstück bestand (6 W 155/14). ...

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